19.06.11

12 - Ein Zwischenruf in der Zwischenzeit

Dieser Blog ist kein Tagebuch. Er ist eine Reise. Eine Reise vom Sichtbaren ins Unsichtbare und zurück, von der Wirklichkeit in die Realität und zurück, von einer Welt in die andere Welt, von der inneren in die äussere Zeit. Wer mich auf dieser Reise wie auch immer begleitet, ist willkommen. Es gibt hier keine Türen, keine Ein- und Ausgänge, es gibt nur die Sprache, - die Sprache, die spricht, die fliesst, die in alles hinein und durch alles hindurch fliesst, die fliessend verwandelt, öffnet und konzentriert, was ist und was mich berührt. Und gibt auch die Zeichnung, das Bild, die Fotografie. Es gibt alles und noch viel mehr. Nur etwas gibt es nicht: Die Beschreibung, das Abbild, die sich zur Ansicht machende Sicht. 


Der letzte Blogeintrag mit dem Titel "Wie kam es soweit?" blieb unfertig, unvollendet, weil ich nicht das Sehen, aber die Augen verloren hatte, weil ich mich nach beidseitigen Linsenopeationen vor mehr als zwei Monaten nur noch im Trüben, im Nebel befunden habe und weil ich deshalb nicht mehr lesen und kaum mehr schreiben konnte. 


Der aktuelle Eintrag, dieser, den ich eben verfasse, will auch nicht Tagebuch sein. Aber er ist persönlicher, er betrifft unmittelbarer meine Gegenwart und das, was sich in ihr und mit mir ereignet. Ja, dieser Post ist, aus praktischen Gründen, ein persönlicher Zwischenruf an meine Freundinnen, Freunde, Bekannten, Verwandten und alle, mit denen ich persönlich und künstlerisch verbunden bin, denen ich in den nächsten Wochen und Monaten und darüber hinaus in irgendeiner Weise verpflichtet bin und die von mir ein Zeichen, eine Antwort, ein Feedback oder was auch immer erwarten. Ich habe mich für diesen Zwischenruf in eigener Sache entschieden, weil ich auf diese Weise nicht nur einige, sondern alle erreichen kann. 


Im Augenblick bleiben alle Vereinbarungen und Termine bestehen. Aber da vieles ins Rutschen gekommen ist, da sich manches verschoben hat und da sich Neues ergeben hat, neue Umstände und neue Gegebenheiten, und da sich meine Zukunft nicht im Unbekannten verliert, aber in einer im Moment nicht absehbaren Weise verändert, ist es mir jetzt nicht möglich, alle oben erwähnten Personen persönlich zu informieren und zu kontaktieren. 
Man sehe mir diesen Eintrag deshalb bitte nach, und ich danke allen, dass sie es mir nicht übel nehmen, dass ich sie jetzt und vielleicht auch in nächster Zeit in gemeinsamen und allgemeinen Sachen nicht direkter ansprechen kann. 




RÜCKBLICK

Den letzten Winter verbrachte ich in Hua Hin, in der thailändischen Königsstadt, und die dortige Zeit war nicht nur rund und ganz, sondern in jeder Hinsicht und in jedem Augenblick erfüllend, erfolgreich, ergiebig. Es ging auch dort jeden Tag weiter im Text und weiter ins Bild und hinter das Bild. Ich tauschte mich jeden Tag mit dem Meer, mit dem Wind, mit dem Licht, mit der Landschaft, mit der Natur. Es gab kein Getrenntsein, sondern nur ein dauerndes Zusammensein, ein mit allem und in allem Sein. Dieses Zusammensein war auch ein Getragensein, ein Getragenwerden, und dieses bewirkte, dass eine Vielzahl von poetischen und essayistischen Texten (ein Teil ist in diesem Blog enthalten) wie von selber entstand. Ich malte täglich, und ich zeichnete viel. Zeichnungen begleiten, wie gesagt, auch diesen Blog. 
Alle Zeichnungen, - es sind deren Tausende -, werden allerdings in absehbarer Zeit in der Blackbox veröffentlicht werden, im Blog, der den seit Jahren anhaltenden Fluss meiner seismographischen Zeichnung sichtbar und öffentlich machen wird. Die Blackbox-Serien werden nicht nur als Blog herauskommen, sondern auch als Edition und zum Teil auch als Heft und als Buch. 


Thailand war auch der Ort, an dem sich mir die Fotografie nach Jahren, Jahrzehnten der Abstinenz wieder gab. Ich hatte mich von diesem Medium entfernt, es interessierte mich nicht mehr, weil es extrem beschränkt ist und nur abbilden und nichts anderes kann. Ich war selber erstaunt, als es mir plötzlich gelang, mit der Kamera nicht nur an die Sachen und Erscheinungen heran, sondern in sie hinein und sogar hinter sie zu gehen. Ich hätte es im Voraus nicht für möglich gehalten, dass ich fotografisch vom Abbild ins Bild hinein komme. Dieser Sprung bedeutete für mich ein Quantensprung, den ich freilich nicht gesucht und beabsichtigt hatte, sondern der einfach geschah, der mir zufiel, den ich geschenkt bekam. 


In Thailand war das Meer mein wichtigstes Motiv, nicht das Meer als Ansicht natürlich, sondern das Meer als Farbe, als Kaleidospkop, als Bewegung, als Atem, als Anfang und Mehrung. Mein Fotografieren war kein Knispen und Festhalten, sondern ein buchstäbliches Fischen und Nehmen und Pflücken, und so füllten sich meine Dateien mit Tausenden und Abertausenden von Bildern. Ein Teil dieser Bilder erscheint auch in diesem Blog. Aber es ist auch ein eigener Meer-Blog im Aufbau, und dieser wiederum wird das Meerbuch nach sich ziehen, das nicht erst seit gestern, sondern seit Jahrzehnten in mir wächst und das Bilder, Fotos und Texte enthalten wird. 
Nicht unterlassen will ich zu sagen, dass ich in Hua Hin liebenswürdige Menschen und Freunde gewonnen habe, Freunde, mit denen ich Gemeinsames teilen und entdecken konnte und mit denen ich gerne verbunden bleibe. W., mit dem ich viel Zeit verbrachte, regelmässig Ausflüge machte und stundenlange Gespräche führte, regte mich zum Buch Wege an, das ebenfalls zuerst als Blog erscheint und das später mit poetischen Texten erscheinen wird. Wege, Umwege, Irrwege... Überall gibt es Wege. Jeder geht seinen Weg. Der Blog und das Buch werden Werke sein, die nicht irgendwelche Wege beschreiben und dokumentieren, sondern die dem Weg, dem Dao näher kommen und dieses umkreisen.


Nach Thailand kam ich zurück nach München und in die Schweiz, und nach dem Abstecher in die Südtürkei, der in mir zwiespältige und an anderer Stelle zu befragende Eindrücke hinterliess, unterzog ich mich den erwähnten Linsenoperationen, die folgenreich waren, weil ich mich seither halbblind durch die Tage und durch meine Lebenswege bewegen muss. Dass es so ist, wie es ist, konnte ich erwarten, weil diese Operationen prophylaktische Massnahmen und Vorbereitungen auf die Hornhauttransplantationen waren, die mir in diesem Sommer bevorstehen. 
Meine Augenärzte sagten mir eine Durststrecke von einem Jahr voraus. Ich befinde mich jetzt mitten in dieser Durststrecke und, wie sich inzwischen zeigt und weil mehr, noch viel mehr dazu kommt, wird sie durstiger und heftiger werden, als ich oder irgendjemand es voraussehen konnte. 


GEGENWART

Meine Gegenwart spielte sich in den letzten Wochen und Monaten regelmässig und öfter als früher draussen ab, auf ziellosen Wegen, in der Natur, im Wald, unterwegs. In der Natur glaubte ich, nicht schlechter zu sehen. Die Natur schien sich meinen Augen anzupassen, und meine Augen passten sich der Natur mühelos an. Fast kam es mir vor, als hätte ich das Licht und die Farben zuvor kaum so gesehen und wahrgenommen. Jeder Weg und jede Wanderung war ein Fest, ein sinnliches und vollständiges Fest, ein ununterbrochenes Staunen. 


In der künstlichen Welt war es sehr schwierig, mühsam, auch gefährlich, denn dort musste ich ununterbrochen aufpassen, dort eckte ich als Halbblinder überall und ohne Unterlass an. Und weil ich keine Tafeln lesen und keine Fahrkarten lösen konnte und grosse Mühe hatte, mich in der eingleisigen, begradigten Diktatur der technischen und öffentlichen Realität zu bewegen, war die Natur wahrhaft Rettung und Segen. 
Meine Kamera wurde zu meinem Auge, und weil ich das, was ich in Thailand entdeckt und fotografisch entwickelt hatte, schon in der Türkei und dann in der Schweiz und schliesslich überall und vielseitig einsetzen und fortsetzen konnte, entstanden fast ununterbrochen Fotos, Kompositionen und ganze Serien.


Niemand sah vor zehn Tagen voraus, dass ich buchstäblich Hals über Kopf als Notfall im Kantonsspital Baden lande und dass ich dort mit höchster Eile und Dringlichkeit in alle verfügbaren Maschinen geführt und an alle Geräte gehängt werde, weil man gemäss meinen  "atypischen", aber alarmierenden Symptomen und den ersten Erkenntnissen annehmen musste, dass mir vielleicht nicht viel Zeit bleibt. 


Ich arbeitete an jenem Tag mit N., einer Kunststudentin, in meinem Atelier, und als mich diese am Abend zum Bahnhof fuhr und dort stehen liess, löste sich die Welt langsam auf. Ich musste höllisch aufpassen, denn alles, was ich sah und erlebte, entschwand mit einem Mal aus meinem Raster und aus meinem Erkennen. Der Bahnhof wurde zu einer weichen, wattigen, schummrigen Schleuse, und ich musste mich auf das äusserste anstrengen, um mich auf das Wichtigste zu konzentrieren und mich nicht zu gefährden. 



Alles begann auseinander zufallen. Ich fand pötzlich die Worte nicht, und die Worte, die ich noch hatte, passten nicht zu den Sachen, und die Sachen, die ich eigentlich kennen sollte, verloren ihren Charakter und ihre Bedeutung. Ich sah und erkannte nichts mehr, ich konnte mich nicht bewusst, sondern nur ungefähr und ahnungsweise orientieren, mich nur auf einen unsichtbaren Kompass in mir halbwegs verlassen. Ich befand mich in einem undefinierbaren Zwischenraum und in einer ebenso undefinierbaren Zwischenzeit. Gemütlich und aufregend war dieser mich schliesslich dennoch an meinen Wohnort führende Weg nicht, und er dauerte diesmal anstatt eine Stunde gute vier Stunden.



Meine Mitbewohner waren erschrocken, als sie mich so neben mir sahen und als sie realisierten, dass meine Sprache keine Sachverhalte und nicht einmal mehr die mir bekannten Personen fand. Immerhin war ich selber noch klar und bewusst genug, dass ich wusste und sehen konnte, was in und mit mir geschah. So kam ich in den Spital, und dort war es so, wie ich es beschrieben habe
.


"Ein Zwischenruf in der Zwischenzeit" heisst dieser Post, weil ich mich wieder in einer Zwischenzeit befinde. Mein erster Gedichtband, der vor sage und schreibe fast fünfzig Jahren herauskam, hiess "Zwischenzeit", und dieser Titel war damals weder einer Attitüde, noch einem Anflug von Koketterie geschuldet, sondern er bezeichnete einfach die Zeit, in der ich mich damals und seither immer befand. 

Die Zwischenzeit war immer meine Zeit, meine Lebenszeit, oder, genauer gesagt, ich bewegte mich immer von einer Zeit in die andere Zeit, von der inneren in die äussere und von der äusseren in die innere Zeit. Ich ging. Ich war unterwegs. Ich war nie sesshaft, und ich blieb nie am Ort. Ich war unterwegs, nicht rastlos, aber stetig, ununterbrochen. Ich schloss mich nie ein. Und ich schloss niemanden und nie irgendwas aus. Ich entschloss mich nie für einen Glauben oder für ein System, sondern immer nur für den Weg, für die Schöpfung, die Kunst.


ES GING IMMER WEITER
Weiter im Text... war und ist kein Motto von mir und auch kein Programm, sondern einfach mein gewohnter und selbstverständlicher Lebensvollzug, der natürliche Anspruch an mich und der Lauf meiner Zeit. Mein Lauf und meine Zeit haben mich in unendlich viele Zeiten und Räume gebracht, und was ich in diesen sehen, erfahren, erkennen und verwirklichen konnte, übersteigt nicht nur die mir verbleibende Zeit, sondern auch meine Möglichkeiten. 


Was bleibt, wieviel noch bleibt, wieviel Zeit, wieviel Kraft, das steht nicht in den Sternen, aber jetzt garade ist alles offen, ganz offen. Ich befinde mich im wörtlichen Sinn in der Zwischenzeit, von der ich nicht weiss, ob sie meine Endzeit, meine Restzeit oder meine Verwandlungszeit und Übergangszeit ist. 


Vor zehn Tagen setzte sich, nach den Stunden der Tests und Untersuchungen, die Ärztin an mein Bett. Sie setzte sich zu mir, und sie schwieg. Ihr Schweigen dauerte, und es war nicht nur leise, sondern auch laut und präsent. Die Ärztin schwieg, und sie sprach schweigend zu mir. Sie war reglos und bleich, fassungslos gefasst. Schliesslich fand sie Worte und gab sie mir. Unspektakuläre, einfache, unpathetische Worte. Sie gab mir keine Hoffnung, keine Aussicht. Sie sagte mir: Da ist etwas in meinem Kopf. Und sie sagte mir, dass man zur Zeit noch nichts weiss und deshalb so schnell und so gründlich wie möglich weiter suchen und untersuchen muss. Sie sagte mir: Es ist vielleicht schon zu spät. Sie sagte, dass das, was in meinem Kopf ist, harmlos oder sehr gefährlich sein kann. Sie schloss und öffnete meine Zeit im gleichen Moment, denn ich hatte nicht fiktiv, sondern ganz konkret keine Zeit, keinen Zeitraum mehr...



Die Ärztin war klar, behutsam, und die Worte, sie mir weder als Trost noch als Schock verabreichte, rang sie sich nicht ab, sondern diese bildeten sich wie von selber so in ihrem und aus ihrem Mund, dass keinerlei Panik in mir entstand und dass ich nicht die geringste Angst in mir empfand. 
Ich wunderte mich selber darüber. Ich hörte und sah die Ärztin, ich sah mich und in mich hinein, ich nahm alles ganz genau wahr, und ich raste im Nu durch mich hindurch, durch die Zeiten, durch alles, was war. Alles war einfach so, wie es war. Und das, was war und was ich wahrnahm, war zwar ein Ende, ein vielleicht endgültiges Ende, aber nichts Böses, nichts Gefährliches, auch kein Verlust. 



Ich staune noch jetzt, dass die Todesbotschaft in mir keinen Abgrund aufriss und mich nicht an eine schwarze Wand katapultierte, sondern im Gegenteil alles aufmachte und alles löste. Ich schloss nicht die Augen, sondern ich war neugierig und schaute hin, ganz genau um mich, in mich, in meinen Körper und in die Zeit. Ich schaute und flog, und während ich flog, wunderte ich mich noch immer darüber, dass es nirgends irgendwas gab, das sich zumachte, das aufhörte und einfach verschwand. 



Lebensmomente wie diese verführen dazu, ins Pathos oder in die Verzweiflung zu fallen. Beides liegt mir fern und ist nicht meine Art. Es war sehr merkwürdig, dass ich die starke und intensive Empfindung hatte, dass all das, wofür und womit ich immer gelebt hatte, nicht abreisst, sondern in mir und durch mich und vor und hinter mir weitergeht, weiterfliesst... Diese Empfindung war, wenn ich sie beschreiben möchte, sehr leicht, sehr hell. Sie war sogar beglückend. Im Bruchteil einer Sekunde fragte ich mich, ob ich nicht im falschen Film sei und wie es denn sein kann, dass ich das eigentlich Schreckliche, Schlimme, Tragische nicht als dieses erlebe, sondern als - wie soll ich es sagen? - als ein Sprung des Wegs und des Textes, der weiter und weiter geht...



DER TEXT GEHT WEITER...


auch wenn es mit mir nicht weitergeht. Ich war zeit meines Lebens Text, Teil des Textes, und es gelang mir, ohne dass ich mir je darauf etwas eingebildet habe, den Text weiter zu führen, weiter zu schreiben, zu vertiefen und zu konzentrieren. Ich hatte nie das Selbstverständnis, dass es um mich, um meinen Text geht. Und als ich in der zeit- und perspektivlosen Zwischenzeit im Krankenhaus lag, sah und erlebte ich mich an diesem Punkt, an diesem Ort, wo es keinen Willen, keine Absichten, keine Wünsche und kein Ich mehr gibt. Ich lag da, ich hörte, schaute und sah. Ich durchquerte alles im gleichen Moment, nicht im Wahn oder im Traum, sondern in einem Zustand, der einfach war und nur elementar.



Ich lag fünf Tage im Kantonsspital Baden, dann wurde ich zur genaueren Bestimmung meines Befindens in den Kantonsspital Aarau verlegt, dann zurück nach Baden und vorgestern wieder nach Aarau. Und jetzt gerade habe ich Pause, bevor ich heute Abend wieder in Aarau einrücken muss und bevor morgen die erste Schädel-Gehirn-Operation durchgeführt wird, die der Entnahme einer Probe dessen, was in mir als Tumor, als Geschwulst, als was auch immer vorhanden ist, dient. 

Nachher sieht man weiter. Es wird eine grössere Operation geben oder eine konservative Behandlung. Die weiteren Tests und Untersuchungen, die an mir vorgenommen wurden, sind insofern beruhigend, als man in meinem Körper nirgendwo Metastasen und Ableger oder irgendwelche verdächtigen Veränderungen festgestellt hat. 



Ich habe keine schlechten Ahnungen und Gefühle. Ich fühle mich gut. Was ich in meinem Kopf spüre und was ich auf dem Bildschirm gesehen habe, was die Grösse einer Kinderhand hat, ist nicht dunkel, sondern, tatsächlich, hell. Ich spüre es nicht als Fremdkörper, sondern als etwas, das zu mir gehört. Es fühlt sich an wie ein Körper im Körper, nicht wie ein Geschwür, vielmehr wie ein Licht. 
Ich habe das Gefühl - oder ist es eine Ahnung? -, dass ich überlebe, dass ich weiter im Fluss und im Text und im Bild bleiben werde. Die Zwischenzeit, in der ich mich seit einiger Zeit und noch eine Weile befinde, nimmt mir wahrscheinlich nicht einfach einiges weg, sondern sie gibt mir auch viel, sie öffnet neue Wege und Räume und Bilder, sie verwandelt mich und lässt mich noch konzentrierter und schneller und wacher werden. 

Ich werde, wenn ich dies kann, in den nächsten Wochen und Monaten in diesem Blog weiter darüber berichten, wie es mit mir, mit den Augen und mit dem Kopf weitergeht und wie sich der Fluss meiner Zeit in die Sprache, in die Zeichnung, ins Bild, in die Fotografie übersetzt und wie dies alles als Bücher, im Netz und in Ausstellungen zur Veröffentlichung kommt. 



Ich bitte diese, die wie auch immer mit mir verbunden sind, von Zeit zu Zeit einen Blick in diesen Blog zu werfen, um zu erfahren, was garade geschah und geschieht, wie es mit dem Lebens- und Sprach- und Bildertext weitergeht und, nicht zuletzt, wie ich die bestehenden Vereinbarungen und Verpflichtungen einhalten kann und werde. 

Im Augenblick lasse ich, wie gesagt, alle Termine für die nächsten Wochen und Monate stehen. Es handelt sich um persönliche Termine und um solche, die zum Teil lange im Voraus in der Atelierakdamie festgelegt wurden. Und es handelt sich auch um Daten, die mit Projekten, Ausstellungen und Publikationen zusammen hängen. 

Wenn es Verschiebungen und Änderungen gibt, werde ich die Betroffenen gemäss meinen Möglichkeiten und meinem Befinden persönlich oder mit diesem Blog informieren. Ich danke allen, die mir in den letzten Wochen und Monaten nahe gewesen sind, die mich unaufgeregt und mit Respekt begleitet haben und weiter begleiten und die bisher und jetzt und künftig mit mir zusammenarbeiten, damit der Text, der Schöpfungstext weiter und weiter geht. 



DIE ZUKUNFT


wurde nicht weggefegt, und sie wurde nicht ausradiert. Sie öffnet und öffnet sich, mit mir und ohne mich. Sie öffnet sich dauernd als diese Schöpfung, die dauert und weitergeht, die sich verwandelt und sich ununterbrochen verwirklicht. Unsere Schöpfung, diese von uns Menschen, ist die Kunst, - diese Kunst, die als Sprache, als Bild und als Klang sichtbar macht, was unsichtbar ist. 

Die Realitäten, die wir politisch, wirtschaftlich und technologisch hilflos und unbeholfen konstruieren, haben nichts mit der Schöpfung zu tun; sie sind fast ausnahmslos  unglaublich armselig, verschlossen und verkürzt. Wir beschränken und reduzieren die Schöpfung mit unserem Suchen und Erfinden, mit unserem Denken, mit unserem Planen und Handeln nur. Wir sind noch immer und längst nicht so weit, bei den Dingen zu sein und sie aus sich heraus wachsen zu lassen. Wir leben getrennt von uns selbst und der Welt, und es scheint, dass wir hoffnungslos im einzigen Wahn und Zwang gefangen sind, mit dem allergrössten logistischen Aufwand unser absurdes und sinnloses Welttheater aufrecht zu halten. Wir verlieren uns allenthalben und in allen Bereichen in unseren persönlichen und gesellschaftlichen Labyrinthen und in der geradezu unfassbaren Dummheit, die uns bestimmt und von der wir uns bestimmen lassen.

Die alles verkürzenden und alles verschliessenden Glaubenssysteme und Glaubenslügen, die wir in alles und durch alles gezogen haben, hindern uns daran, einfach zu sein, im Da zu sein, uns entsprechend dem Wissen und der Schöpfung zu entwickeln. Der Glaube, jeder Glaube ist längst erledigt. Wir irren als Gläubige durch unser haltloses und bodenloses Leben. Wir halten uns an allem Möglichen fest, an unseren Wünschen und Sehnsüchten und Träumen, am Ehrgeiz und am Erfolg, am Wohlstand und an dieser Sprache, die alles festhält und im gleichen Moment alles verliert.

Ich klage nicht, und ich klage nicht an. Es hat alles, auch das, was irgendwo und in und mit mir geschieht, seine Logik. Alles ist folgerichtig. Und es ist folgerichtig und logisch, dass der Text weiter geht, dass sich die Schöpfung weiter schreibt, auch mit und durch und dank uns. Es liegt auf der Hand, dass die Kunst wächst, dass sie aufblüht und aufgeht und ansteckt, was es sonst gibt. Es liegt in der Natur Textes, dass er über sich hinaus geht, dass er auch die Dummheit hinter sich lässt, dass er viele und vieles löst und befreit. 


Wenn mein eigener Text weitergeht, dann lässt er noch viele Bände der Reihe Hommage erscheinen. Die neue Website der Reihe ist in Arbeit, und auch meine persönliche Website wird in absehbarer Zeit aufgeschaltet. In Arbeit sind die Hommage-Bände über Buddha, Laotse, Kafka, Klee, Hokusai u.a. Und im Entstehen begriffen ist der Roman "Im Wind". Ich schreibe, wenn ich nicht gerade wie jetzt unterbrochen oder gebremst werde, ununterbrochen. Ich schreibe Gedichte und Dichtungen, Essays und Erzählungen. Und alles, was von mir geschrieben wird, kommt irgendwo, irgendwann, irgendwie heraus. 

Was die Kunst betrifft, fallen nicht nur ohne Unterlass Zeichnungen und Blätter von mir ab. Seit einiger Zeit ist auch dieses Werk im Entstehen, das ich seit Jahrzehnten mit mir herumtrage, das ich oft angefangen habe und nicht weiterführen konnte und das sich mir inzwischen so gegeben hat, dass es von mir greifbar und fassbar gemacht und als nicht endendes Bild, als The Neverending Image konkret gemacht werden kann. 


Ich weiss jetzt, wie gesagt, nicht, was kommt und wie das, was kommt, kommt. Wenn es kein Ende gibt, sondern weitergeht, dann kann es sein und dann ist es geplant, dass im kommenden Winter der erste Band von The Neverending Image herauskommt und dass dieser von einer Ausstellung begleitet wird. Und wenn es mit mir und mit meinem Leben weitergeht, dann werde ich in den nächsten zwei, drei Jahren zwischen der Schweiz und Thailand und anderen Destinationen pendeln, damit alles in Bewegung bleibt, damit alles ins Fliessen kommt, damit sich alles oder mindestens so viel wie möglich öffnet, aufschliesst, ereignet. 


Auch in Zukunft wird vieles wachsen und entstehen. Weil ich immer und oft mit anderen KünstlerInnen zusammengarbeitet habe, werde ich dies, wenn ich kann, sicher in Zukunft auch machen. Die Kunst ist die anspruchsvollste und auch einsamste Sache, aber sie ist auch unsere Gemeinschaftssache. Sie wächst und kann nicht anders, als aus der Gemeinschaft in die Gemeinschaft zu wachsen. 

Wenn mich der Stein nun nicht trifft, sondern wenn er sich in mir in einen Vogel verwandelt, dann werde ich vom kommenden Winter an, wie gesagt, regelmässig und abwechslungsweise in der Schweiz, in Hua Hin und auf Reisen sein. Ich werde weiter unterwegs sein, als Nomade leben, reisen, arbeiten. Und wenn jemand Lust und den Willen hat, allein oder zusammen mit mir während einiger Zeit in Hua Hin einem Kunstwerk Gestalt zu geben, dann ist er nicht nur willkommen, sondern dann ist er zu den günstigsten Konditionen mein Gast. 


Gebenstorf, 19. Juni 2011