29.01.11

4 - Wenn sich die Städte entstädtern

Bangkok, 2010
Jede Stadt, jede Großstadt zumindest, verwildert, weil es nicht möglich ist, einem solchen Gebilde eine solche Struktur zu geben, die alles zusammenhält. Eine Stadt kann wachsen oder sie kann das Ergebnis einer planerischen Idee sein, was aber nicht wichtig ist, solange das eine das andere zulässt, solange das eine das andere unterstützt. 
Irgendwann kann eine Stadt aber nicht mehr wachsen, und irgendwann ist es auch nicht mehr möglich, so zu planen, dass alles zum Ganzen wird. Man kann mit Zahlen jonglieren und Theorien aufstellen, aber weil jede Zahl und jede Theorie nicht alles miteinbezieht, kann es nur Hypothesen geben. 


Bangkok, Klongs, 2010
Wenn jemand sagt, eine Stadt kann nur eine Stadt sein, wenn jeder in ihr in Würde und nicht nur nicht arm, sondern so leben kann, dass er sich selber sein kann, dann würde ich sofort zustimmen. Wenn jemand noch hinzufügen würde, eine Stadt kann aber nur eine Stadt sein, wenn sie sich selber so durchsichtig macht, dass alle an allem teilhaben können, dann würde ich auch nicht nein sagen. Ich würde aber eine Sache erwähnen, diese nämlich, dass eine Stadt ein Gemeinwesen ist, ein gemeinschaftliches Wesen, und dass es dieses Wesen nur geben kann, wenn alles natürlich geschieht. 
Ich weiss, jetzt widerspricht man mir so, dass es sehr schwierig ist, jene Stadt ins Visier zu nehmen, von der ich jetzt sprach. Eine Stadt, sagt man mir gleich, ist kein Dschungel, sondern das Gegenteil. Eine Stadt ist kein Wirrwar, sondern eine strengen Gesetzen gehorchende Ordnung. Ich weiss, ja, ich weiss, - aber es gibt doch keinen natürlichen Wirrwar und der Dschungel ist doch die Ordnung selbst. 

Bangkok, Chinatown, 2010
Wenn jede Stadt wie der Dschungel wäre, dann hätte jeder in ihr seinen Raum und jeder könnte sich so entfalten, wie es dem, was er ist, entspricht. Die Sprache ist auch ein Dschungel, weil alles in ihr verbunden ist, weil jedes Wort Wort bleibt, auch wenn es tausend und aber tausend andere Wörter gibt. Die Sprache des Dschungels ist keine einseitige Sprache, sondern eine so vielseitige Sprache wie kaum eine andere sonst. 
Eine Stadt könnte auch eine Sprache sein, aber nur dann, wenn sie sich selber entsprechen würde. Eine Stadt, die sich selber entsprechen würde, wäre keine verwaltete Stadt, sondern eine sich selber organisierende Stadt. Sobald man den Dschungel als Vorbild sieht, sieht man auch, dass er sich selber organisiert, dass er keine Verwaltung braucht, dass er alles, was in ihm ist, schützt und dass er sich dauernd erneuert und sich dauernd selbst bleibt. 

Bangkok, Chinatown, 2010
Selbstverständlich kann keine Stadt ohne Verwaltung sein. Aber Verwaltung kann so oder so sein. Sie kann die Realität einer Stadt schliessen oder sie kann diese öffnen. Weil jede Verwaltung mächtig ist, ist es sehr einfach für sie, die Realität zu schliessen. Doch eine geschlossene Realität ist keine lebenswerte Realität mehr, sondern eine Realität, in der diese, die in ihr sind, funktionieren und sich anpassen müssen.

Ich kenne keine Stadt, die eine offene Realität hat, sondern ich kenne nur Städte, die in sich geschlossen sind. In sich geschlossene Städte zeichnen sich dadurch aus, dass die Summe der Regeln in keinem Verhältnis mehr steht zum Menschen, zum einzelnen Menschen, der in ihnen lebt. 
Regeln sind unverzichtbar, gewiss, aber sobald sie bestimmen und nicht mehr nur regeln, verkehren sie das, was sie regeln, in etwas, das nicht mehr zu regeln ist. 

Bangkok, 2010
Eine Stadt, die die Regel befolgt, dass keine Regel bestimmen darf, wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Eine Stadt, die sich dazu entschliesst, alles, was in ihr ist, gleich zu behandeln, wäre ein so grosser Schritt, dass sehr viel geschehen würde. Eine Stadt, die die Entscheidung trifft, nicht mehr als Zentrum zu funktionieren, sondern als eine räumliche Einheit von vielem, könnte viel mehr erreichen, denn eine Einheit ist weder hierarchisch noch so, dass sie Dinge ermöglicht und andere Dinge verunmöglicht. Eine Stadt, die den Anspruch besitzt, alle ins Boot zu nehmen und niemanden am Rand zu lassen, wäre kein Wunder, sondern einfach eine selbstverständliche Sache.

Bangkok, Klongs, 2010
Jetzt höre ich schon Argumente, eine solche Vielzahl von Argumenten, dass sie mich zwingen zu sagen, dass es einfach nur darum geht, den Städten den Sinn zu geben, den sie eigentlich haben. Der Sinn der Städte liegt, wie ich schon sagte, im gemeinschaftlichen Wesen. Ja, der Sinn der Städte kann kein anderer sein, als dem Individuum diese Gemeinschaft zu geben, die es ihm möglich macht, seine Eigenart zum Gewinn der Gemeinschaft zu machen. 
Jetzt ist es so, dass die Städte einigen Individuen erlauben, sich so zu entwickeln, dass sie zu Überindividuen werden und dass die Mehrheit der Inidividuen nicht als Individuen leben können. 

Bangkok, Klongs, 2010
Aber wie kann eine Stadt denn so werden, dass nicht alles, aber vieles natürlich geschieht? Als Antwort kann ich nur sagen: Indem sie sich so entstädtert, dass alles, was irgendwann irgendjemand bestimmt hat, ausser Kraft gesetzt wird und dass alle Regeln erschlossen oder, anders gesagt, entschlossen geöffnet werden. 
Wenn es keine ungerechten und zweischneidigen und zynischen und absurden Regeln mehr gibt, dann wächst allmählich die Stadt, die so schön ist, wie keine Stadt bisher war. Dann wächst diese Stadt, die schön ist, weil kein Lärm in ihr ist. Weil ihre Nacht nicht zum Tag gemacht wird. Weil ihre Kultur eine jeden tragende Lebenskultur ist. Weil ihre Wirtschaft keine Konsumwirtschaft ist. Weil ihre Wissenschaft konkret macht, was allen nützt und allen so dient, dass alles einfacher wird. Weil ihre Kunst nicht nachahmt, was es schon gibt, und nicht als Narrenkunst funktioniert, sondern dem Elementaren entspricht und deshalb der Stadt mehr Wirklichkeit gibt. Weil jeder leben kann, wie er will, und niemand gezwungen wird, sich so zu verhalten, dass es den andern gefällt. 

Ich höre schon wieder Einwände. Aber allen Einwänden zum Trotz, sage ich, dass die Stadt, die ich eben skizziert habe, keine utopische ist, sondern eine reale. Sie könnte jederzeit konkret gemacht werden. 
Utopien waren immer Ventile der Sehnsüchte der Menschen, die anders leben und anders sein wollten und deren Realität keine Wirklichkeit offen liess. Die sich selber Utopisten nennenden Philosophen kehrten ihre eigene Welt einfach um, was nicht nur eindrückliche Bilder entstehen liess, sondern auch Anstösse gab. Aber es gab noch nie eine Stadt, die erdacht und irgendwann gebaut worden ist und die erfüllte, was sie versprach. 

Aber es wird, dessen bin ich ganz sicher, Städte geben, die natürlich funktionieren, weil sich die künstlichen Städte selber zerstören und weil es keinen anderen Weg mehr gibt.


Hua Hin, 25./29. Januar 2011

23.01.11

3 - Wild ist die Zeit

White Sea, Gulf of Thailand, Hua Hin 2011
Jede Sicht, die man hat, ist eine subjektive, eine eingeschränkte und relative, und wenn man sich dessen bewusst ist, dann sucht man mit allen Mitteln, seine Sicht zu erweitern und sie zur Allgemeinsicht zu machen. Doch die Subjektivität der Sicht kann nicht allgemein und weniger subjektiv gemacht werden, indem man so viele Sichten wie möglich in seine Sicht integriert, denn die Subjektivität wird nicht weniger subjektiv, wenn man ihr noch mehr Subjektivität hinzufügt. Es ist ein gängiger Irrtum, dass viel immer mehr ist als wenig, aber sobald man erkennt, dass das Elementare nicht elementarer wird, wenn man viel Elementares zusammenfügt, muss man sich eingestehen, dass Erkenntnis etwas ganz anderes ist.
 
White Sea, Gulf of Thailand, Hua Hin 2011
Eine Sicht wird nie zur Erkenntnis, auch wenn man sie mit vielen anderen Sichten ergänzt, denn eine Erkenntnis kommt nur zustande, wenn man die Sicht, die man hat, verlässt. Selbstverständlich kann man jetzt sagen, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist, sich der eigenen Sicht zu entledigen, weil man immer ein Subjekt bleibt, ja, weil man immer sich selber bleibt. Man bleibt immer sich selber, und deshalb ist der Versuch, die Dinge zu sehen, ohne sie zur Ansicht zu machen, vergeblich. Vielleicht ist die Erkenntnis, dass es gar keine Erkenntnis gibt, die einzige Erkenntnis, die der Wahrheit entspricht, und weil Wahrheit ohnehin ein Wort ist, das sich erübrigt, weil es gar keine Wahrheit gibt, ist es am besten, an den Anfang der Sprache zu gehen.

Man kommt immer zum gleichen Ergebnis, wenn man die Sprache so braucht, wie man sie eben braucht. Man kommt immer zu diesem Ergebnis, das man schon kennt und das den Sichten entspricht, die unserer Allgemeinsicht entsprechen.

Ich weiss, dass die Sprache nicht einfach an ihren Anfang gebracht werden kann, weil zur Sprache die Sichten gehören und weil es eine sichtlose Sprache eigentlich gar nicht gibt. Doch sobald man sieht, dass die Sicht der Sprache nicht eine subjektive Sicht ist, sondern eine vielschichtige Sicht, ein komplexe Sicht, eine Sicht, die natürlich gewachsen ist und die alle Sichten vereint, dann erkennt man auch, dass die Sicht, die die Sprache besitzt, eine im wahrsten Sinn zutreffende Sicht ist, eine Sicht, die trifft, was sie beobachtet.
 


White Sea, Gulf of Thailand, Hua Hin 2011
Die Sprache beobachtet tatsächlich, und weil sie beobachtet, was ist, kann sie erzählen, und weil sie erzählen kann, versteht sie etwas von dem, was sie sieht. Die Sprache versteht die Sachen, weil sie sie erzählen kann. Und die Sprache versteht die Dinge, weil sie sich von ihnen ableitet. Die Sprache ist nicht nur Zeit, sondern auch Zeitlosigkeit, und in jedem Wort ist beides enthalten, vorausgesetzt allerdings, dass sich die Realität nicht über die Worte stellt.

Die Realität stellt sich immer über die Worte, wenn ihr kein Wort entgegengesetzt wird, kein Widerstandswort, kein Entlarvungswort, kein Wort, das erzählt, was sie eigentlich ist. Sobald die Realität Worte bekommt, die nicht an sie angepasst sind, kommt sie ins Schleudern oder, besser gesagt, dann kommt sie aus ihrem Konzept.
Sobald die Realität ihr Konzept verliert, zeigt sie sich so, wie sie ist. Ohne Konzept ist die Realität ein Desaster, ein wahres Desaster, denn dann erscheint sie als eine Sicht. Die Realität ist in Wahrheit nur eine Sicht, und weil sie eine konkrete Sicht ist, verursacht sie jene Nachhaltigkeit, an der alle, die nach uns kommen, zu leiden haben.

 

Black Sea, Gulf of Thailand, Hua Hin 2011
Alle, die nach uns kommen, werden die Frage stellen: Wie kam es soweit, dass sich die subjektive Sicht so durchsetzen konnte, dass sie die Realität bestimmte und dass sie diese so machen konnte, dass keine Wirklichkeit mehr bestand? Selbstverständlich wird man dann nicht danach forschen, was wann in der Geschichte passierte, sondern man wird danach forschen, was wann in der Struktur des Menschen passierte, was wann so passierte, dass die Entscheidungen nicht mehr vom Geist, sondern vom Denken getroffen wurden.

Das Denken ist irgendeinmal so mächtig geworden, dass es den Geist überrannte. Es erstarkte so sehr, dass es sich selber so sah, als könne es alles erreichen und als wüsste es alles, was ist. Alles, was ist, wurde ins Denken genommen und vom Denken zur Sache gemacht, zur Ansichtssache, von der man behaupten konnte, dass sie die einzige Sache sei. Das Denken erstarkte deshalb, weil sich das Gehirn des Menschen entwickelt hatte. Wir wachsen, wie alles, in Schritten und Sprüngen dorthin, wo wir die Schönheit erreichen, die in uns angelegt ist.

Natürlich ist unsere Schönheit ganz anders als diese der Pflanzen und Tiere, aber es gibt ein Prinzip, ein Naturgesetz sozusagen, und dieses sollte man nicht missachten, denn sobald man sich über es hinwegsetzt, verliert man die eigene Schönheit.


Black Sea, Gulf of Thailand, Hua Hin 2011
Die eigene Schönheit haben wir Menschen schon lange verloren, weil wir vom Ganzen in die Subjektivität hinein gingen, weil wir die Entscheidung getroffen hatten, denkend die Welt zu beherrschen. Die Beherrschung haben wir längst verloren, denn die Künstlichkeit, die wir schufen, ist wie eine Strafe, die wir nicht loswerden können. Wir können jetzt nicht mehr zurück. Wir werden von dem, was wir schufen, so verunstaltet, dass es uns schlimmer geht als dem Teufel.

Den Teufel erfanden wir damals, als das Denken den Sieg errang und als es irgendwas brauchte, um den Spalt, der entstand, zu füllen.
Da sich das Denken vom Geist abtrennte, suchte es einen Ersatz und es fand ihn in Gott und dem Teufel, in die es alles das projizierte, was ihm wie ein Wunder oder wie eine Schuld vorkam. Das Denken erfand diesen Himmel, in dem sich der Gott entschied, eine Schöpfung entstehen zu lassen, und im gleichen Atemzug erfand es die Hölle, um dem eigenen Kampf diesen Spiegel zu geben, der ihn ins Recht setzte.

Jetzt holte ich aus, um den Sinn der Sprache ins Zentrum zu holen, denn die Sprache sagt ganz genau, was wahr ist und was nur erfunden. Sobald die Sprache Dinge erzählt, die gar nicht erzählt werden können, ist sie nicht auf dem Holzweg, aber auf einem falschen Weg. Sie irrt nicht, die Sprache, aber sie bebildert die Dinge so, dass man den Eindruck bekommt, so sei es tatsächlich in dieser Welt, die in unsere Wahrnehmung kommt.
Wahrnehmen heisst im Wortsinn wahr nehmen, - wahr nehmen, was ist. Aber seit sich das Denken entschloss, alles an sich zu reissen, ist die Wahrnehmung auch getrennt worden, weil es die geistige und die sinnliche Wahrnehmung gibt. Weil wir nur noch sinnlich wahrnehmen, können wir nicht mehr erkennen, was logischerweise zur Folge hat, dass sich die Subjektivität zur Objektivität machen muss. 

Das Desaster, von dem ich gesprochen habe, kommt von der Subjektivität, ja, das subjektive Desaster ist inzwischen so gross, dass sich sogar die Realität gegen es wehrt. Doch sie wehrt sich natürlich mit falschen Massnahmen, denn das Desaster wird mit Konzepten, mit einem Regelwerk von Gesetzen, nicht kleiner gemacht, sondern grösser. 

Wild ist die Zeit, in der wir inzwischen leben, aber da sich das Denken erschöpft, wird die Zeit wieder sanft, so sanft, dass nichts mehr verloren geht.


Hua Hin, 23.01.2011

20.01.11

2 - Wir waren im Boot

Mangrove Klong, Pranburi, 2011
Nachdem sich die Erde entschloss, alles ins Wasser zu holen, sagten sich alle Tiere, nun müssen wir wieder wie damals als schwimmende Wesen leben und nur noch ins Innere tauchen, anstatt nach aussen zu gehen. Aber es gab noch die Menschen, und diese suchten wie immer irgendein Schlupfloch, um sich nicht an die Erde zu halten, sondern an das, was in ihrer Vorstellung war. Was in der Vorstellung der Menschen war, ist kein Geheimnis, denn es sah jetzt lange so aus, wie sich die Menschen es wünschten. Jeder Wunsch wurde zu einer Realität, vor der man nur fliehen konnte, indem man sich eine Vorstellung machte, indem man sich wünschte, dass es anders sei, als es war.
Wünsche sind selber schon Realitäten, und jeder, der wünscht, der irgendwas wünscht, erschafft eine Welt, in der sich die Sachen behaupten. Wer wünscht, erschafft eine Welt, in der die Dinge keine Rolle mehr spielen, denn die Dinge sind jenseits vom Denken und die Wünsche werden vom Denken gemacht. 


Weil die Erde so unvernünftig gewesen war, die Dinge ins Spiel zu bringen und von den Dingen her zu entscheiden, konnten die Menschen nicht anders, als sachlich zu bleiben und sich zum Anwalt der Sachen zu machen. Im Namen der Sachen, sagten sie schliesslich, müssen wir anders handeln, anders als die Erde es tut. 
So entstand die Erde über der Erde, ja, so entstand diese Erde, die es dann gab. Die Erde der Menschen interessierte sich nur für die tatsächliche Erde, weil sie keine Ressourcen besass, was aber verständlich war, denn Ressourcen sind das Ergebnis der Dauer. Irgendeinmal wird die Erde der Menschen auch soweit sein, dass sie Ressourcen besitzt, aber so lange es nicht soweit ist, so lange braucht die Erde der Menschen die Erde und so lange muss man sich arrangieren. Man muss sich natürlich nur arrangieren, weil man im Vorteil ist, weil man die Sachen besitzt, was jedoch nicht heisst, dass die Dinge unwichtig sind.


Mangrove Klong, Pranburi, 2011
Die Dinge sind wichtig, aber nur dort, wo das Denken nicht ausreicht, wo es seine Grenzen erreicht. Da die Grenzen des Denkens allmählich verschwinden, verschwinden die Dinge von selbst. Es ist also nicht nötig, im Kampf gegen die Dinge seine Kraft zu verschwenden, denn das Denken schliesst alles ein. Das Denken schliesst sogar ein, dass sich die Sehnsucht an Dinge hält, die es nicht gibt, denn der Spielraum des Denkens ist gross, viel grösser als alles, was man sonst kennt. 
Was ist denn sonst in der Lage, sich über alles hinwegzusetzen und in phantastische Welten vorzustossen, die weiter und unbegrenzter als alles sind, was man sonst kennt? Was man sonst kennt, ist - ich will es so sagen - Ehrfurcht erregend und sogar so, dass man zum Gläubigen werden könnte. Aber als Gläubiger weiss man nicht mehr, in welchen Sphären wir uns bewegen und wie weit wir gekommen sind. Wir kamen so weit, dass sich die Sachen selbstständig machten. Und wir waren sogar schon dort, wo die Sprache nicht mehr eine Vielzahl von Sprachen umfasste, sondern eine einzige war.


Pranburi River, Pile Dwellings, 2011
Eigentlich sah es so aus, als müsse nur noch ein Schritt gemacht werden, um anzukommen, um an dieses Ziel zu kommen, von dem wir während Jahrtausenden träumten und von dem wir nie wussten, ob wir es je erreichen. Wir waren am Ziel, praktisch am Ziel, als alles mit einem Schlag nicht mehr vorhanden war, als alles ins Leere lief, weil alles vom Wasser verschluckt worden war. 
Wir wussten, jetzt ist es vorbei. Wir wussten, jetzt können wir nur noch hoffen, dass etwas erhalten bleibt, etwas von dem, was von uns geschaffen wurde. Wir waren natürlich unglücklich. Wir waren aber nicht wütend, weil die Dinge den Sieg davon trugen, denn wir waren noch immer sicher, dass sich die Erde durchsetzt, die wir im Sinn hatten. 
Was wir im Sinn hatten, war eine Revolution, und jede Revolution muss mit Rückschlägen rechnen. Im schlimmsten Fall müssen wir einige Jahre oder Jahrzehnte warten, bis wir neu anfangen können. Aber eine Revolution wird vom Wasser nicht aufgehalten, denn sie ist stärker als dieses. Eine Revolution wird vom Feuer gemacht, und wenn man weiss, was Feuer bedeutet, dann weiss man auch, dass es sich gegen alles durchsetzt. 

Pranburi River, Pile Dwellings, 2011
Alles wird irgendeinmal vom Feuer genommen und dorthin gebracht, wo es kein Wasser mehr gibt, sondern die Luft. Die Luft ist die Zukunft, sagten wir uns, weil in der Luft keine Platznot herrscht und weil jeder Wunsch in Erfüllung geht, wenn wir den Raum beherrschen, den Luftraum, der grenzenlos ist. 
Die Eroberung dieses Raums, der über und unter ist und den wir als Kosmos bezeichnen, war immer der Traum, der unser Leben bestimmte, und seit es uns gibt, waren wir immer damit beschäftigt, die Realität in den Traum zu verwandeln oder, anders gesagt, den Traum zur Realität zu machen. Wir konnten schon viel vom Traum in die Realität hinein holen, aber noch waren wir nicht soweit, den Durchbruch dorthin  zu schaffen, wo wir keine Schwere mehr hatten. Unser Körper war schwer, und unser Denken war leicht, so kam es uns jedenfalls vor, und deshalb suchten wir eine Lösung, den Körper zum Denken zu machen, was uns je länger je besser gelang. 

Reflectances, Mangrove Forest, Pranburi, 2011
Wir konnten den Körper nicht anders machen, aber wir konnten ihn so manipulieren, dass er sich kaum mehr bewegen musste, ja, dass er einfach nur ruhen konnte und keine Anstrengung mehr machen musste. Es ist uns schliesslich gelungen, den erwähnten Raum zu erobern und in ihm ein Netzwerk zu schaffen, das wie kein anderes war. Wie kein anderes Netzwerk wuchs unser Netzwerk ins All, in alles hinein, was es gab. Und im Netzwerk war es uns sogar möglich, den Sprung ins Unbekannte zu machen, ins Vorher und Nachher von dem, was in unserer Vorstellung war. 
Wir konnten jetzt endlich sehen, wie weit sich die Erde entfernt hat, von unserer Erde entfernt hat, was jedoch nicht nachteilig war, denn die Erde kam uns nicht entgegen, sondern sie verhinderte immer wieder, dass wir konkret machen konnten, was konkret werden wollte. 


Pranburi River, 2011
Jetzt war es wieder einmal so weit, dass sich die Erde nicht an unser Konzept anpasste, sondern einfach so tat, als wären wir nichts. Wir konzipierten einfach zu lange und wir erreichten einfach zu viel, um ins Abseits geschoben zu werden. Und uns kam es deshalb entgegen, dass etwas erhalten blieb. Im Netzwerk, von dem ich erzählte, ist irgendetwas gewachsen, was wir jetzt gebrauchen konnten. Wir konnten die Sprache gebrauchen, die jemand ins Netz gestellt hatte, um nach der Sintflut Sätze zu haben, mit denen man weiter kam. 
Wir lernten die Sprache auswendig und wussten schon bald so viel, dass es  uns möglich wurde, die Erde so zu gestalten, dass kein Widerspruch mehr entstand. Wir waren jetzt wieder im Boot, in dem sich das Ding und die Sache ergänzten, was in uns etwas bewegte, denn erstmals gelang es uns jetzt, die Schönheit der Schönheit zu sehen. Wir konnten jetzt so gestalten, dass alles zu allem passte. Und als wir sahen, dass sich die Erde im Wasser verwandelt, wussten wir wieder, weshalb es die Sintflut gab. 


Hua Hin, 20./21. Januar 2011



19.01.11

1 - Wasser ist alles, was zählt

Morgen, Gulf of Thailand, Hua Hin 2011
Im Jahr, in dem wir uns jetzt befinden, stellt sich die Frage, ob wir alles beim Alten lassen oder ob wir nicht konsequenter sein wollen, konsequenter weil das, was wir tun, nicht identisch ist mit dem Sein, das wir in uns haben und das selbstverständlich nicht aufhört damit, uns jene Wege zu zeigen, die alles enthalten, auch das, was wir im Wahn nicht behielten, im Wahn, die Realität sei alles, was ist. Wir wähnten uns sicher in dem, was sich selbstständig machte und was sich die Erde so untertan machte, dass nichts mehr so blieb, wie es war. Wir kamen uns vor, als wären wir Schöpfer und diese, die alles erfinden, um sich ein Dasein zu schaffen, das nicht mehr von Konditionen beherrscht ist, die alles beschränken und so einengen, dass am Ende nicht bleibt, was war. 
Wir wollten kein Ende erleben. Wir wollten nur da sein, nichts sonst, immer nur da sein und uns mit dem Reichtum verwöhnen, der uns und niemandem sonst gehört. Der Reichtum wurde uns nicht geschenkt, sondern er wurde von uns erarbeitet. Wir kämpften wie wild für ihn, und als wir ihn schliesslich erhielten, nahmen wir wahr, dass er sich selber vervielfacht, wenn wir vorsichtig sind und ihn nicht verschenken an jene, die keine Vorstellung haben, was er enthält. 


Mittag, Gulf of Thailand, Hua Hin 2011
Der Reichtum enthält diese Erde, die keine Hoffnung mehr ist, sondern Realität. Der Reichtum beschert uns die Erde nicht mehr als widersprüchlichen Ort, sondern als diese Sache, die wirklich vorhanden ist. Der Reichtum ist wie ein Wunder, weil er Tatsachen schafft und nicht mehr zum Glauben verleitet. Die Tatsachen, die schliesslich entstanden, waren irgendwann so, dass sie die Erde so machten, dass alles verschwand, was sie war. 
Die Erde verlor ihre Erde und wurde zum Stein, der sich selbst als monumentales Erbe, als Erbschaft vorkam. Die Erbschaft der Erde wurde uns jetzt zum Verhängnis, denn sie machte den Reichtum zur Armut und machte, was wir nicht vermochten. Was wir nicht vermochten, ist etwas, das klein scheint, das aber am wichtigsten überhaupt ist. Wir waren im Glauben, dass sich die Sachen schon arrangieren, wenn wir weiter machen im Text, weiter in diesem Text, der die Sprache so aushöhlt, dass es keinen Inhalt mehr gibt. Wir waren im Glauben, dass sich die Schönheit nicht aufgibt, wenn wir kein Wachstum erschaffen, sondern den Stillstand erzeugen, der steht, einfach nur steht, also nicht weicht und nicht wechselt, wie er es sonst tut. 


Nachmittag, Gulf of Thailand, Hua Hin 2011
Die Schönheit verging. Ich kann es nicht leugnen. Aber als Reisender bin ich schon dort, wo diese Schönheit erscheint, die nicht nur den Stein überdauert, sondern auch dieses Denken, das sich mit künstlichem Wissen erhob, um über die Zeit zu bestimmen. 
Die Erde verbarg sich im Stein, und dieser schloss sie nicht ein, sondern er machte aus ihr eine Perle, die einzige Perle, die sich als Anfang und nicht als Ende ins Wasser des Daseins trug. Im Wasser des Daseins war der Stein nicht nur ein Stein, sondern er war auch ein Same, der wuchs, ja, er wuchs aus sich selber heraus und liess diese Schönheit entstehen, die erst noch erscheint. 


Die Schönheit erscheint mir tagtäglich, aber mein Auge sieht auch diese Sachen, die in sich verloren sind. Die in sich verlorenen Sachen können nicht schön sein, denn das, was sie ausmacht, ist nur der Schaum, der entsteht, wenn sich die Wellen so brechen, dass sich alles nach aussen kehrt. Wenn sich alles nach aussen kehrt, entstehen die Schaumfiguren, also diese Figuren, die nur Sekundenbruchteile erleben, aber nicht diese Dauer, die sich ununterbrochen ereignet. Das Ereignis der Dauer wird immer nur dann zum Ereignis, wenn jemand sein eigenes Wasser erfährt. Seit sich die Erde erneuert, seit sie im Wasser ist, versteinert sie immer wieder, und immer wieder kommt es soweit, dass sie sich selber entsteint, um Anfang zu schaffen für das, was kommt und was wachsen muss. 


Abend, Gulf of Thailand, Hua Hin 2011
Jetzt komme ich wieder dorthin, wo diese Reise begann. Sie begann schon in alten Zeiten, schon damals, als diese, die sangen, nichts anderes machten, als sich dem Rhythmus der Zeit zu geben, dem Rhythmus, der alles bestimmt. 
Ich will jetzt nicht sagen, dass ich ähnlich wie Homer bin, ähnlich wie dieser, der sich alles merkte, was war, um alles ins Ganze zu bringen, in jene Ganzheit hinein, die den sinnlosen Sachen Sinn gibt, den Sinn der Schönheit, der darin besteht, alles zur Blüte zu bringen. Homer war einzigartig, und niemand ist ähnlich wie er. Aber jeder, der dichtet, verwaltet das Erbe, das er von ihm bekam. Sein Erbe ist jedoch kein Stein, vor dem man hinkniet und vor dem man kapituliert, sondern es ist wie Wasser, wie jenes Wasser, das ich erwähnte und von dem ich trinke und trinke, um jenes Ziel zu erreichen, das nicht nur anders ist, sondern auch gleich. 


Ich weiss, dass die Sprache ein Schiff ist, und weil sie ein Schiff ist, ist sie nicht an irgendetwas gebunden, an etwas, das steht und fällt, sondern sie ist nur an sich selber gebunden, an sich und nicht an die Sicht, die ihr von jenen gegeben wurde, die einfach nur schrieben und schrieben, um einen eigenen Stein in diese Mauer zu setzen, die nur als Denkmal entsteht. Alle, die schrieben, fast alle, wollten in jene Mauer hinein, in der sie sich sicher fühlten, weil sie so stark erscheint. Stark war jedoch noch nie eine Mauer, nicht nur weil es die Zeit gibt, sondern auch deshalb, weil sich das Starke starr macht und weil es sehr einfach zerbricht. 
Die Starrheit, von der ich spreche, ist immer ein schlechtes Zeichen, und wenn ich in unsere Zeit hinein schaue, dann sehe ich, dass dieses Zeichen überall vorherrschend ist. 
Ich will jetzt aber nicht klagen, nicht über die Starrheit und natürlich auch nicht darüber, dass die Sprache verloren geht, denn die Sprache geht gar nicht verloren, denn die Stärke, die sie besitzt, ist diese des Wassers, weil in ihr das Wasser ist. 


Nacht, Gulf of Thailand, Hua Hin 2011
Die Dichter schöpften nur aus dem Wasser, aus dem unendlichen Wasser der See, auf der sie sich fortbewegten, weil sie nicht still stehen wollten, weil sie nicht starr sein wollten, weil sie sich selber sein wollten, sich und nichts sonst. Sich und nichts sonst waren die Dichter, die der Sprache gehorchten und sie nicht benützten, weil jeder, der die Sprache benützt, kein Wasser bekommt, sondern nur diesen Ruhm, der wohl tut, wenn man ihn spürt.
Alles, was wohl tut, ist gut, aber noch besser ist es natürlich, wenn man sich selber ist. Wenn man sich selber ist, dann wünscht man sich nicht, irgendetwas von dem zu bekommen, was der Realität entspricht, weil die Realität keine Wirklichkeit ist. Wenn man  sich selber ist, dann wünscht man sich viel, weil man nie genug hat von dem, was wie auch immer Wirklichkeit ist. Was wie auch immer Wirklichkeit ist, will man in sich hinein nehmen, in seine Sprache hinein. Aber alles, was nur real ist, interessiert einen nur, weil es sich trennt von dem, was wächst und lebendig ist. 
Wasser ist alles, was zählt, und deshalb wird jetzt in Wellen erzählt, was jetzt, wo ich bin, geschieht. 

Hua Hin, 19. Januar 2011

04.01.11

Weiter im Text - Einführungsessay

WEITER IM TEXT heisst nicht nur, dass die Sprache ihrem Wesen gehorcht und alles, was ist, erforscht, sondern der Titel des Blogs, der wie ein Fluss weiter und weiter geht, verweist auch darauf, dass die Sprache eine Reise beschreibt. Eine Reise hat immer mit der Ferne zu tun, - mit der Ferne, die man zur Nähe macht, wenn man sich in sie begibt, wenn man sie so erfährt, dass sie einem als etwas Vertrautes erscheint. Alles, was einem vertraut wird, öffnet sich auch, ja, alles, was die Ferne verliert und nahe an einen kommt, wird so, dass man in es hinein gehen kann. 

Ich werde im Laufe der nächsten Jahre in vieles hinein gehen, was weder bekannt noch so ist, dass es zum Allgemeingut geworden ist. Ich weiss, es gibt eigentlich nichts, was nicht schon entdeckt und wie auch immer beschrieben wurde. Aber eigentlich ist es auch so, dass nur oder fast nur die Realität zur Sprache gebracht worden ist und dass die Wirklichkeit als unbekannte Grösse irgendwo blieb. Irgendwo blieb die Wirklichkeit auf der Strecke, denn die Sprache wurde von der Realität absorbiert. Sie wurde so absorbiert, dass die Wirklichkeit nur noch latent in ihr blieb, was jedoch nicht heisst, dass sie verschwunden ist. Jede Wirklichkeit, ob sie latent oder anders in dem ist, was ist, ist wirksam, was konsequenterweise bedeutet, dass sie sich so oder so gegen die Realität behauptet. 


Unter Realität versteht man gewöhnlich die Sachwelt, die künstlich geschaffen wird. Und wenn man von Wirklichkeit spricht, dann meint man gewöhnlich keine einseitige Welt, sondern die ganze Welt, diese, die sichtbar und unsichtbar ist. Ich werde, wenn ich reisend durch vieles gehe, so schreiben, dass die Sachen und auch die Dinge ins Bild hinein kommen, ins Sprachbild hinein, von dem man zu Recht behauptet, dass es den Raum vergrössert und der Realität neue Anfänge gibt. Natürlich kann ich auf meiner Reise nicht alles besuchen. Und ich kann auch nicht alles beschreiben, was ich besuche. Aber ich kann von jeder Station zu jeder anderen Station einige Fäden ziehen und etwas entstehen lassen, das nichts mit einem Tagebuch und auch nichts mit einer Dokumentation zu tun hat. Ich will etwas Ganzes entstehen lassen, etwas, in das man eintauchen kann und in dem man sehen kann, was sich in und hinter der Realität verbirgt.
Ich will eine Bildwelt entstehen lassen, die nicht an das Denken gebunden ist und nicht an die Vorstellungskraft, denn diese ist immer beschränkt. Ich will eine sprachliche Komposition entstehen lassen, die nicht als barocker Wildwuchs erscheint, sondern als jene Struktur, die dem Elementaren gehorcht und die dem einzelnen Wort mehr Gewicht gibt als der Vielzahl der Worte, die allzu oft verdecken, anstatt entdecken.


SELBSTVERSTÄNDLICH WIRD SICH DER LESER manchmal, ich hoffe nicht allzu oft fragen, weshalb ich Nähe entstehen lasse, indem ich der Sprache erlaube, ins Innerste dessen zu gehen, was ich in meinem Alltag erfahre. Der Leser wird sich auch fragen, weshalb ich nicht nur beschreibe, sondern schreibend entdecke, schreibend wie eine Sonde alle Schichten erforsche, die die Realität besitzt. Es gibt eine Antwort, eine simple Antwort auf diese Fragen, diese nämlich: Alles kommt von der Sprache, und alles verwandelt sich mit der Sprache, und alles erneuert sich dann, wenn es der Sprache gelingt, alles ans Licht zu bringen, nicht nur die sichtbare Seite, diese, die man schon kennt.

Die sichtbare Seite der Welt ist weder die ganze noch diese Welt, die wirklich und so ist, dass sie alles umfasst. Die sichtbare Seite ist nur eine Seite, und niemand wird wohl behaupten, dass eine Seite genügt, denn eine Seite ist gar keine Seite, eine Seite kann nur sich selbst sein, wenn sie die andere Seite enthält. Die sichtbare Seite benötigt die Seite, die unsichtbar ist, damit der Schein, den sie hat, einen Sinn bekommt.

Die Sprache erschafft die Welt, indem sie erscheinen lässt, was im Verborgenen ist. Als sprachlicher Mensch bin ich ein in Worten reisender Mensch, ein jede Dimension jedes Wortes erkundender Mensch, ein dauernd die Schwellen überschreitender Mensch, die Schwellen der Wirklichkeit, die aussen und innen ist.
Der Raum der Sprache ist immer räumlich und raumlos und so, dass sich das Dasein entwickelt, auch wenn sich die Realität nicht bewegt. Die Realität bewegt sich im Kreis, denn die Sachen sind in ihr so stark, dass der Stillstand entsteht. Der Stillstand der Realität ist wirksam, weil er den Raum, den es gibt, zumacht und schliesst, was konsequenterweise bedeutet, dass sich das Sein entzieht. Das Sein ist im Dasein enthalten, aber sobald sich das Dasein trennt, verliert es sich selbst. Das Dasein, das keine Öffnung mehr hat, keine Öffnung zum Sein, ist in sich geschlossen, was wiederum heisst, dass es nichts mehr erreicht.


Sobald das Dasein nichts mehr erreicht, wird es vom Ende beschattet. Viele, die schrieben, beschrieben den Schatten. Aber nun ist der Schatten schon wieder so, wie er einst war, wie er damals, als Giotto lebte, Wirklichkeit war. Was Giotto entdeckte, war keine Erfindung, sondern die Wahrheit der Welt.
Der Schatten war immer vorhanden, aber man liess ihn verschwinden, ja, man liess ihn nicht dort, wo er war und auch hingehörte. Der Schatten gehört in die Welt, genauso wie dieses Licht, das zur Sonne gehört und das die Tage zu Tagen macht. Es gibt keine Welt, die einfach nur Tag ist oder nur Nacht. Es gibt nur die Welt, die Tag ist und Nacht, die sich aus Licht und Schatten zusammensetzt, die Raum ist und Zeit und im gleichen Moment Raumlosigkeit und Zeitlosigkeit.

Deshalb ist die Einseitigkeit der Sprache keine Lösung für das, was getan werden muss. Was jeder, der schreibt, tun muss, ist die Entsprechung, was konsequenterweise bedeutet, dass der schreibende Mensch dieser sein muss, der den Schatten durchleuchten und der dem Licht den Schatten hinzufügen muss.

ES GAB EINEN DICHTER, der keine Angst davor hatte, dem Schatten so zu entsprechen, dass er ins Licht hinein kam. Er hiess Samuel Beckett. Es gelang ihm, den Schatten so sagbar zu machen, dass man von ihm sprechen konnte und dass man sogar sagen konnte: So ist es tatsächlich, was um und in uns geschieht. Was um und in uns geschah, war dieses Sterben, das nicht mehr aufzuhalten gewesen war. Es starb und es starb und erlosch, was jedoch nicht hiess, dass sich die Schöpfung entliess.

Die Schöpfung ging weiter und kam in den Fluss, der anders gefärbt war als dieser, der vor ihm bestand. Die Schöpfung verlor in der roten Farbe den Sinn, weil sie sich nur noch an das halten konnte, was aussen, was dort war, wo die Realität entsteht. Die Realität wurde zum Maßstab der Dinge, was jenes Ende nach sich gezogen hat, das der Dichter beschrieb. Der Dichter erzählte nicht, sondern er sprach, - er entsprach der Realität, und weil er ihr so entsprach, dass sie durchsichtig wurde, verwandelte er das Ende in diesen Anfang, der wahr werden wird, weil die Schöpfung entsteht.


Die Schöpfung entsteht, und weil sie dauernd entsteht, ist das Ende nicht etwas, das sie vom Weg, den sie geht, abbringt oder, besser gesagt, das das Dao beendet. Das Dao ist immer das Dao, und weder wir Menschen noch irgendein Gott kann sich dem Dao entgegen stellen, denn es verwirklicht sich deshalb, weil sich die Dinge ereignen, die Dinge, die innen, im Geist sind, in dem, was sich im raumlosen Raum befindet. Im raumlosen Raum befindet sich selbstverständlich nicht irgendetwas, sondern das Sein, das die Energie, die es hat, konzentriert und indem es sie konzentriert, so dinghaft macht, dass sie erscheinen kann. 

Die erscheinende Energie des Seins ist keine Scheinenergie, sondern die tragende Energie, die gestaltende Energie, die natürliche Energie, was konsequenterweise bedeutet, dass sie sich entwickelt, aber niemals vergeht.

Die Dinge sind solche Strukturen, die Anfang erzeugen und die die Schöpfung dorthin bewegen, wo sie sich selber ist. Wenn jemand schreibend dorthin geht, wo die Strukturen entstehen, wo die Dinge die Sprache entstehen lassen, dann kommt logischerweise alles in ein anderes Licht, dann kommt jene Welt, in der wir jetzt sind, in jene Welt, in der sich die Schöpfung ereignet, in der die Schöpfung selbsttätig ist und jene Tatsachen schafft, die dinghaft und sachlich in einem sind.


DIE REALITÄT IST KEIN SPRUNGBRETT zur Wirklichkeit, aber dieser, der schreibt, kann in ihr Inneres gehen und wenn er dies tut, dann erschliesst er sie auch. Die Sprache erschliesst die Realität, und wenn sie dies tut, dann öffnet sie sich. Die Sprache, von der ich jetzt spreche, hat wenig mit dieser zu tun, die der Realität genügt, indem sie sich dieser verschreibt. Sobald sich die Sprache der Realität verschreibt, kann sie nichts mehr erschliessen, nichts mehr entschlüsseln, dann ist sie gefangen im Schein, in dem sie sich selbst verliert.

Tatsächlich kann man von dem, was heute geschrieben wird, nicht sagen, dass es der Realität entspricht, sondern man kann höchstens sagen, dass es die Realität erzählt. Die die Realität erzählende Sprache ist immer nur eine Sprache, die nacherzählt. Die Sprache, die nacherzählt, ist vielleicht interessant, ja, sie kann sogar spannend sein, aber sie verfestigt letztendlich immer die Realität.

In der heutigen Literatur ist die Realität die einzige Ebene, die es gibt, was natürlich zur Folge hat, dass sie sich so ausschmückt, dass es scheint, als hätte sie viele Schichten. Doch die Realität kann noch so vielschichtig sein, sie bleibt immer die Realität, sie bleibt immer am Ende, weil sie keine Wirklichkeit hat.
Die Realität der Literatur wird vielfach gerühmt, aber sie wird nur deshalb gerühmt, weil sie die Realität rechtfertigt, weil sie die Sicht dieser bestätigt, die sich in ihr befinden. Eine Sicht ist immer etwas sehr Relatives, und wenn von der Literatur eine relative Sicht zur Allgemeinsicht gemacht wird, dann sieht es schlecht aus für sie.


Es sieht schlecht aus für die Literatur, obwohl es so viel Literatur gibt, denn sie stirbt, wenn sie wesenlos wird. Sprache sagt Wesen, wenn sie die Seele von jemandem oder von etwas bezeichnen will. Die Sprache sagt Seele, wenn sie den innersten Kern dessen bezeichnen will, was ist. Was ist, ist immer die seelische Wirklichkeit einer Sache oder, anders gesagt, die Essenz der Existenz.

Die Essenz der Existenz war in der Literatur während Jahrtausenden die Sache, um die es ging. Jetzt geht es nur noch um die Existenz, und weil es nur noch um diese geht, ist der Leser nicht mehr in der Literatur geborgen, sondern er wird nur noch von ihr vergnügt. Weil jedes Vergnügen vorübergeht, kann der Leser nicht mehr in einem Buch bleiben, sondern er muss von einem Buch zum anderen gehen. Er kann nicht in einem Text bleiben, der weiter und weiter geht und der die Schöpfung erzählt.


DIE SCHÖPFUNG IST EINE ERZÄHLUNG, ein Text, der anfängt und anfängt und nichts anderes macht, als die Seele sichtbar zu machen, die Weltseele, von der man sagt, dass sie den Spiegel braucht, damit sie sich selber bleibt. Der Spiegel der Seele ist unsere Welt, was jedoch nur heisst, dass die Schöpfung eine Entsprechung hat. Die Schöpfung könnte nicht Schöpfung sein, wenn es die Seele nicht gäbe. Die Schöpfung ist in Wahrheit nichts anderes als die Sprache der Seele. Ja, die Sprache entspricht der Seele, vorausgesetzt allerdings, dass sie sich der Realität entzieht.

Sobald sich die Sprache der Realität überlässt, verliert sie die Seele, denn die Realität ist keine natürliche Sache, sondern eine Sache, die künstlich geschaffen wird. Sobald sich die Sprache im Wissen verliert, im künstlichen Wissen, das das Denken erzeugt, wird sie von diesem gesteuert und nicht mehr von dem, was die Seele enthält. Die Seele ist jenes Wissen, das im Bewusstsein enthalten ist. Ich will damit sagen, dass die Seele nichts ist, nichts Wirkliches und auch nichts von dem, was von den Religionen gesagt worden ist.


Wer etwas über die Seele sagt, ist immer im Irrtum, weil die Sprache nicht dorthin kommt, wo sie sich befindet. Die Seele befindet sich nirgends, weil sie nichts ist, weil sie sich selbst nicht zu irgendwas macht, weil ihr Wesen kein Wesen ist, sondern jene Unwesentlichkeit, die sich allem entzieht. Die Definitionen der Seele können nicht richtig sein, denn definieren kann man nur etwas, und deshalb ist es notwendig, die Sprache soweit zu bringen, dass sie sich selber entlässt.
Die Sprache entlässt sich aber nicht selber, wenn man sie festhält und sich an jenes Wissen klammert, das ihr vom Denken gegeben wurde. Wer denkt, dass die Sprache entspricht, solange sie wie ein Werkzeug verwendet wird, verwechselt die Schöpfung mit dem, was von uns gemacht worden ist. Wir können schöpferisch sein, aber natürlich nur dann, wenn wir das Dao beachten, das von Laotse erkannt worden ist.

Laotse sah, dass die Welt vom Wissen geschaffen wird, vom Wissen der Seele, die ihre Unwesentlichkeit wesentlich macht, indem sie sich selbstständig macht oder, anders gesagt, indem sie den Ton erzeugt, der die Schöpfung zum Anfang bringt.


ES GAB EINE ZEIT, in der man sehen konnte, was war, - was im Wissen der Seele war. Im Wissen der Seele entdeckte man diese Struktur, die die Dinge erzeugt und die es den Dingen ermöglicht, sichtbar zu machen, was unsichtbar ist. Was unsichtbar ist, wird sichtbar, wenn sich die Energie, die es gibt, konzentriert oder, anders gesagt, wenn sie sich so konzentriert, dass natürliche Wirklichkeiten entstehen. Es gibt die geistige Wirklichkeit, und es gibt die natürliche Wirklichkeit. 

In der geistigen Wirklichkeit wird die natürliche Wirklichkeit vorbereitet. In der natürlichen Wirklichkeit wird vieles von dem konkret, was in der geistigen Wirklichkeit eine Struktur bekam. Die geistige Wirklichkeit wäre sinnlos, wenn sie sich nicht fortsetzen würde, wenn sie nicht Zeit werden würde, Zeit, die wie ein Körper funktioniert. Der Körper Zeit atmet, und er bewegt sich. Er bewegt und entwickelt, was in ihm ist, und weil er entwickelt, kann es nicht sein, dass er still steht und aufhört zu sein. 

Der Körper Zeit dauert, was logischerweise heisst, dass es ein Ende in ihm, aber nicht für ihn gibt. Die Sprache sagt Dauer, weil es die Dauer gibt, und sie sagt Zeit, weil es das Da gibt, das stirbt, das ununterbrochen stirbt und in dem es so schwer ist zu bleiben, weil es die Sprache gibt.
Die Sprache wechselt das Da und verlegt es vom Jetzt in das Damals und vom Damals in diese Zukunft, die alles verspricht. 

Wir können nicht da sein, ohne dem Damals Genüge zu tun und ohne in diese Zukunft zu schauen, die es noch gar nicht gibt. Das Da verlangt von uns etwas, was in keiner Schule gelehrt wird und was niemand gern hat. Das Da verlangt von uns etwas, das im Widerspruch steht zu dem, was wir wollen und können und mit der Macht des Denkens vermögen. Es verlangt von uns alles, was wir nicht mehr wollen und können und mit der Macht der Seele vermögen, weil es dauert und dauert und wie die Sonne am Himmel scheint, einfach scheint, ohne dass es sich darum kümmert, ob die Realität in ihm ist oder nicht.

Dass das Da scheint, klingt vielleicht komisch, aber sobald man das Da als den Schein der Seele betrachtet, versteht man, dass die Sonne im Jetzt ist, im Jetzt und nirgendwo sonst. Ich weiss, ich erinnere jetzt an das, was längst Vergangenheit ist. Ich weiss, ich spreche jetzt so, als ob es noch Götter und alles das gäbe, was von jenen geglaubt worden ist, die den Schutz der höheren Mächte brauchten, damit sie ihr Leben leben und glücklich sein konnten. Ich weiss, dass sich die Sprache nicht täuscht, aber ich weiss auch, dass sie so eingesetzt wurde, dass eine Täuschung entstand. Es entstand die Täuschung, dass die Sprache nicht wörtlich ist, sondern dass sie nur bildhaft ist. Die Sprache ist aber nicht das und nicht das, sondern beides zusammen. Sie ist diese Sache, die nicht eine Seite vor die andere stellt, und deshalb ist jedes Wort Wort und jedes Bild Bild, und wenn man beides zusammen sieht, dann wird man nicht weise, aber zumindest klug.


WEISHEIT KANN MAN NICHT LERNEN. Weisheit ist jenes Geschenk, von dem man dann profitiert, wenn man alles hinter sich liess, wenn man keinen Ehrgeiz mehr hat, wenn man die Rollen, die man gespielt hat, nicht mehr benötigt und nur noch sich selber ist. Weisheit ist eine Sache, die selten geworden ist, weil die Realität von jedem verlangt, dass er so denkt und so spricht und so handelt, wie sie es ihm vorgibt und wie sie es ihm zeigt. Weisheit ist weder der Schluss, den jemand aus der Realität zieht, noch die Erfahrung, die zur Erkenntnis führt. Weisheit ist nicht die Summe der Realität, sondern die Entfernung von dieser. Ja, es gibt keine Weisheit in der Realität, sondern nur dort, wo die Realität keine Rolle mehr spielt.

Die Realität spielt in jedem, in fast jedem Leben eine so entscheidende Rolle, dass jeder, der am Rand von ihr bleibt, als verrückt oder zumindest als weltfremd betrachtet wird. Natürlich könnten viele Weise eine Realitätserweiterung provozieren. Aber solange die Realität den eigenen Rand so verunglimpft, wie sie es heute tut, ist jede Weisheit vergeblich.


Ich will damit sagen: Solange die Realität den eigenen Rand in ihr Jenseits verbannt, solange ist sie von ihm getrennt, was konsequenterweise bedeutet, dass sie den Raum, den sie hat, noch kleiner und enger macht.
Deshalb ist die Klugheit vonnöten, den Rand in die Mitte zu nehmen, in die zeitliche Mitte der Realität. Klug wäre es auch, die Sprache des Randes so in die Sprache der Realität zu integrieren, dass sie ein Teil von ihr wird. Dies wird allerdings kaum geschehen, weil sich die Realität nicht wie Wasser verhält, sondern wie dieser Stein, der nichts in sich lässt und alles von sich abweist. Die Realität kann ihr Wesen nicht so verändern, dass sie eine andere Schwingung bekommt, denn sobald sie dies täte, wäre sie nicht mehr sich selbst. Die Realität ist nur so lange sich selbst, als sie sich trennt, dauernd sich trennt von dem, was wirklich geschieht.



ICH WILL JETZT ABER NICHT WEITER MACHEN mit dem, was wie ein Teppich geworden ist, ein roter Teppich zu dem, was kommt und was kommen muss. Was kommt, ist die Reise, die ich in den nächsten Jahren konkret machen werde, weil ich in den letzten Jahren nicht mehr gereist bin, nicht mehr so viel und so weit wie früher, wie in der Zeit, in der ich im Da gelebt hatte, in dem vieles geschah, was ich kaum glauben konnte, weil es unmöglich war.

Ich konnte im Da weiter gehen als sonst, ja, ich konnte im Da Sprünge machen dorthin, wo jene Wirklichkeit ist, die nicht an Grenzen gebunden ist und auch nicht an diese Träume, die das Denken erzeugt. Es schien mir in dieser Zeit, als könnte ich Berge versetzen, als könnte ich etwas erreichen, von dem ich keine Kenntnis besass, von dem ich aber ganz genau wusste, dass es anders als alles war.

Anders als alles war schliesslich sehr viel, weil ich vieles losliess, was war. Was war, kam nicht mehr in meinen Alltag, denn dieser war intensiver als die Realität. Die Realität wurde von meiner Intensität an meinen Rand gebracht, und deshalb war sie verkraftbar, ja, sie war sogar so, dass sie sich zur Inspirationsquelle machte, mit der ich arbeiten konnte und mit der ich noch weiter kam. Jede Sache, die es irgendwo gab, wurde für mich zum Anlass, Nähe zu dem zu bekommen, was wirklich und sinnvoll war.


Wirklich und sinnvoll war für mich jede Sache, aber nur deshalb, weil ich in sie hinein gehen konnte, weil ich von ihr her dorthin gehen konnte, wo sich die Schönheit befindet, die in meinen Augen das Wichtigste war. Ich will, wenn ich die Schönheit erwähne, nicht an all das erinnern, was verloren gegangen ist. Nein, ich will nicht in die Vergangenheit gehen, um in ihr zu finden, was nicht mehr anwesend ist. Ich will im Gegenteil sichtbar machen, dass es die Schönheit gibt, dass es sie dauernd gibt, dass sie sich dauernd verwandelt und dass sie nie aufhört zu sein. 

Schönheit ist etwas, das zählt, das zählbar in allem ist, das mit den Zahlen zusammenhängt, weil jede Welt Welt wird, indem sie sich strukturiert. Jede Welt kommt zur Welt, indem sie sich eine Struktur gibt. Und jede Struktur wird von Zahlen gebildet, von natürlichen Zahlen, die sich selbstverständlich ergänzen und die sich ebenso selbstverständlich zu Reihen zusammenschliessen, weil keine Zahl alleine sein kann, weil jede Zahl mit jeder anderen Zahl verbunden ist. 


ICH WILL JETZT NUR AN DIE ZAHLEN ERINNERN, um einen Riegel vor diese Ansicht zu schieben, die Schönheit sei subjektiv und alles, was schön ist, sei relativ. Natürlich kann jeder nur einen Teil der Schönheit erkennen, aber niemand kann sagen, es gäbe die Schönheit nicht an sich, sondern nur so wie den Glauben, der dem Denken entspringt und die Sehnsucht befriedigt. Die Schönheit ist an sich vorhanden, weil die Entwicklung ihr Weg ist und weil jeder Weg einen Sinn haben muss, ein Ziel, in das er hinführt und in das er mündet. Jeder Weg ist ein Weg, wenn er die Schönheit entwickelt, wenn er das Sein, das er hat, in das Dasein bringt, in das Da, das sich zeigt, sobald die Struktur entsteht, sobald die Zahlen jenen Kosmos entstehen lassen, in dem wir uns immer befinden.


Wir kommen nicht aus dem Kosmos heraus und also auch nicht aus der Schönheit, und wenn wir uns nicht abkapseln, nicht in der Realität verschliessen, dann nehmen wir die Schönheit so wahr, dass sie uns trägt und jene Wirklichkeit zeigt, die keine Illusion, sondern eine Tatsache ist. 
Tatsache ist es, dass wir keine Schönheit mehr haben, weil wir nicht mehr im Wirklichen sind. Tatsache ist es, dass die Schönheit erfahrbar ist, sobald man im Jetzt ist, im Da, das das Ereignis des Daseins ist. Im Jetzt ist die Schönheit nicht irgendetwas, sondern die eigentliche, ja, die zentrale Sache. Im Jetzt ist die Schönheit keine Nebensache, keine Sache, die zur Freizeit gehört, denn die Schönheit kennt keine Zeit, weil sie sich ereignet, weil sie sich entlässt, ins Sichtbare entlässt. 

Jeder Moment ist ein Schöpfungsmoment, was konsequenterweise bedeutet, dass jeder Moment ein schöner Moment, ein Schönheitsmoment im wahrsten Sinn ist. Selbstverständlich will und kann ich nicht sagen, dass die Schönheit die einzige Seite ist. Nein, die Schönheit ist eine Seite, und die Hässlichkeit ist die andere Seite. Doch sobald ich dies sage, will ich natürlich auch wissen, weshalb es die Hässlichkeit gibt, weshalb sich die schöne Seite die hässliche Seite leistet. Es sollte doch so sein wie immer, wenn sich eine Seite der anderen gibt. Es sollte doch so sein, dass eine Seite die andere Seite ergänzt, dass die eine Seite die andere Seite vollendet und ihr nicht wegnimmt, was sie erfüllt. 


Ich kann jenen Widerspruch, der immer besteht, nicht akzeptieren, denn die Dualität ist kein Widerspruch, sondern dieses Prinzip, das das Eine dem Anderen gibt, damit die Schöpfung entsteht, damit sich entwickelt, was Wirklichkeit ist. Widersprüche kann es doch eigentlich gar nicht geben, wenn die Schöpfung sich selber ist, denn eine widersprüchliche Schöpfung wäre irgendetwas, aber nicht etwas, das dauert und Ziele verfolgt. 

Eine Schöpfung, die im Widerspruch ist, könnte keine Entwicklung erzeugen, denn sie würde sich selber still legen, ja, sie wäre das Gleiche wie die Realität. Die Realität ist, wie wir gesehen haben, keine Schöpfung, sondern eine künstliche Welt. Die Realität ist diese künstliche Welt, die im Widerspruch ist, weil sie sich trennt, von der wirklichen Welt abtrennt und in jene Sackgasse geht, die immer nur Ende bedeutet, Ende und Schluss. 

DER SCHLUSS DIESES ESSAYS ist, wie sich von selber versteht, kein Schluss, sondern die Öffnung für das, was kommt. Es kommen sehr viele Dinge, und es kommen noch diese Sachen dazu, die der Realität gehören und die ich nicht ausklammern will. Ich will die Realität beschreiben, natürlich, aber ich will sie nicht so beschreiben, wie man sie kennt. Jeder kennt die Realität, und jeder, der die Realität kennt, vergnügt sich, wenn man sie einfach zeigt. 

Ich vergnüge mich aber nicht, wenn ich einfach zeige, was ist. Ich vergnüge mich nur, wenn ich etwas entdecke, wenn ich von etwas etwas erkenne, was in dieser Weise noch niemand erkannte, was in dieser Weise noch niemand sah. 

Ich weiss, dass der Leser verlangt, dass man ihm jenes Vergnügen gibt, das er braucht, damit er die Realität erträgt. Ich weiss, dass ich kein Schriftsteller bin, der den Leser erfreut, denn die Sprache, die von mir geschrieben wird, verlangt von ihm viel. Sie verlangt von ihm diese Verfassung, die seiner Gewohnheit zuwiderläuft. 


Die Realität will keine leeren Menschen, denn diese könnten erfüllt sein, und die Erfüllung könnte die Fülle so untergraben, dass sich diese eines Tages selber verliert. Die Realität erzeugt Fülle, weil sie nicht anders bestehen bleibt. Sobald die Realität keine Fülle mehr hat, kommt sie in Schwierigkeiten, denn dann erfahren die Menschen, dass es in ihr keine Erfüllung gibt. Die Realität kann weder erfüllen noch glücklich machen, denn da sie künstlich geschaffen wird, ist sie dazu nicht in der Lage. Sie ist in der Lage, diese Sicherheit zu vermitteln, die manche als Glück bezeichnen und die diese, die sie besitzen, vergessen lässt, dass Erfüllung etwas ganz anderes ist. 

Erfüllung ist keine Sicherheit, sondern diese Geborgenheit, die von innen her kommt, von der Schönheit, die bleibt, auch wenn sich die Sicherheit in Luft auflöst. In Luft löst sich die Sicherheit wieder und wieder auf, weil sie keine Grundlage hat, weil sie sich der Wirklichkeit abgetrotzt hat und nicht aus ihr entstanden ist. Die Sicherheit, die einem die Wirklichkeit gibt, ist vollkommen anders, denn sie entstammt der Gemeinschaft und nicht dem sozialen Geflecht. 


Dass die Realität ein soziales Geflecht schaffen muss, ist vollkommen klar, aber es ist weniger klar, weshalb sie es so schaffen muss, dass es Reiche und Arme, Privilegierte und Nichtprivilegierte, Wissende und Unwissende gibt. Es wäre klug und vernünftig, eine soziales Geflecht zu schaffen, das anders funktioniert, denn wie es jetzt funktioniert, ist keine Lösung, sondern eine Zumutung.

Die Realität mutet es sehr vielen, den meisten Menschen zu, als - wie soll ich es sagen? -, als Masse jenen zu dienen, die so stark sind, dass sie sich durchsetzen können. Stark sein bedeutet in der Realität, sich so zu verhalten, dass diese Fülle entsteht, von der ich vorhin gesprochen habe. Es gibt keine starken Menschen in der Realität, die sich dazu entschliessen, alles, was ihnen gehört, anderen zur Verfügung zu stellen. Sicher, es gibt gute Menschen, - Menschen, die an andere denken, die den Egoismus nicht so weit treiben, dass sie den eigenen Reichtum mit niemandem teilen. Sicher, es gibt nicht nur verantwortlich handelnde Menschen, sondern auch Menschen, die als Menschen handeln, nur als Menschen, die sensibel genug sind, dass sie wissen, wie Schöpfung entsteht. 


SCHÖPFUNG IST IMMER GEMEINSCHAFT, und jede Gemeinschaft verwirklicht, was der einzelne niemals kann. Jede Gemeinschaft verwirklicht natürlich, was in ihrem Wissen ist. Wir wissen gar nicht, was wir uns nehmen, indem wir uns von dem verabschieden, was, so könnte man sagen, zum Einmaleins der Schöpfung gehört.

Es gibt ein Einmaleins, und dieses ist immer gültig, und wenn man die Frage stellt, worin denn dieses besteht, dann vernimmt man die Antwort schon. Ein Einmaleins ist nämlich nichts anderes als die Logik der Zahlen, die darin besteht, dass die eine Zahl in die andere Zahl übergeht und dass es eine Zahl gar nicht gibt. Eine selbstständige Zahl, eine von den anderen Zahlen losgelöste Zahl gibt es nicht. Nein, es gibt nur eine Reihe von Zahlen, eine unendliche Reihe, ja, es gibt diese Reihe, die immer von neuem beginnt und die immer Neues gestaltet. 


Jetzt wissen wir also, was das Einmaleins zum Einmaleins macht, doch wir wissen noch nicht, in welche Richtung das Einmaleins läuft. Es liegt in der Logik von jeder Reihe, dass sie eine Richtung besitzt, aber dass eine Richtung nicht ausschliesst, sondern einschliesst, kommt uns nicht logisch vor, denn Logik hat für uns immer damit zu tun, dass es eine Gesetzmässigkeit gibt und dass diese die anderen Gesetzmässigkeiten nicht negiert, aber in den Hintergrund drängt. 


Eine Logik, die alle Gesetzmässigkeiten vereint, kommt uns unlogisch vor, weil wir nicht anders können, als denkend logisch zu sein. Wir können nur denken, logisch denken, aber wir können nicht sehen, dass das Denken selber schon unlogisch ist. Wir können nicht sehen, dass das Denken eine Richtung besitzt und dass diese Richtung alle anderen Richtungen ausschliesst und von Vornherein unmöglich macht. 


Weil in der Logik des Denkens keine andere Logik Platz hat, ist ihr Wesen der Widerspruch. Sie widerspricht, und weil sie immer nur widerspricht, kämpft sie ununterbrochen gegen die Schöpfung. Sie kämpft und sie kämpft, und sie siegt, aber die Siege sind teuer, weil sie keine wirklichen Siege sind, sondern Siege, die wie Siege aussehen, aber in Wahrheit Niederlagen bedeuten. 

Ein Sieg, der die Schöpfung negiert und sie so zerstört, dass das Einmaleins, das sie hat, verloren geht, ist kein Sieg, sondern eine schreckliche Sache, eine indiskutable Sache, eine so schlimme Sache, dass man schockiert sein müsste, wenn man es könnte, wenn man in jener Verfassung wäre, in der ich sein will, wenn ich jetzt reise, um die ganze Welt herum reise, in jedes Land hinein reise, und vor allem ins Innere reise, in die Innenwelt dieser Erde, auf der ich mich so bewege, dass sie sich mir offenbart.


Ich kann kein Weltbürger sein, wenn ich immer im Gleichen bleibe, wenn ich immer vom Gleichen ausgehe, wenn ich immer versuche, alles beim Alten zu lassen, bei dem, was ich kenne und weiss und als richtig erachte. Ich will kein Weltbürger sein in dem Sinn, wie die Touristen es sind, wie diese, die immer und überall sind, weil sie nicht anders können und wollen, weil sie nicht Anteil nehmen an allem, sondern nur nehmen, von allem alles wegnehmen, aber nichts geben, nichts geben können als Geld, als diese Sache, die die Sicherheit gibt, wichtig und vor allem nicht anonym, sondern jemand zu sein, jemand, vor dem man Respekt hat, vor dem man Abstand hat, weil er etwas besitzt, was man selber nicht hat. 


WEIL ICH IMMER ARBEITE
nicht anders als als arbeitender Mensch von einem Ort zum anderen gehe, weil ich arbeitend die Schöpfung erkunde, die Schöpfung und alles, was zu ihr gehört, darf ich mich so bezeichnen: Ich bin ein Kosmopolit, ein vom Kosmos bestimmter Mensch und einer, der sich für das einsetzt, was man als Ganzheit bezeichnet. 

Aber weil die Sprache nicht mehr eindeutig ist, muss ich gleich hinzufügen, dass ich kein religiöser Mensch und auch nicht ein ideologischer bin. Ich war immer dagegen, eine Richtung zur einzigen Richtung zu machen. Und ich wollte noch nie irgendwo eine Rolle spielen, sondern einfach mich selber sein. 
Ich wurde Künstler, weil ich nicht anders sein wollte, weil ich keine Vorbilder hatte, weil ich wusste, dass es die Realität und die Wirklichkeit gibt. Ich wurde Künstler, weil ich jene Gesetzmässigkeiten, von denen ich sagte, dass sie das Einmaleins der Schöpfung ausmachen, zu meinen eigenen machen wollte. Ich wurde ein Sprach- und ein Bilderkünstler, weil ich immer am Anfang sein wollte, am Anfang, nicht dort, wo sich das Ende befindet, das Ende der Welt.



Es gab für mich nie ein Ende, sondern einfach die Reise vom Jetzt in das Jetzt. Es gab für mich nie eine Sache, die abgeschlossen und endgültig war, sondern es gab für mich immer nur etwas: Die Erkenntnis von dem, was war. Ich war unterwegs und im Unterwegssein sehr glücklich, aber ich weiss auch, was Schmerz bedeutet, denn ich konnte ihm nicht ausweichen. Ich konnte vielem ausweichen, weil ich so war, wie ich war.

Aber weil ich so war, wie ich war, wurde ich immer wieder von jenen Widersprüchen betroffen, die die Realität besitzt und die logischerweise auch diese besitzen, die in ihr leben und hoffen, dass sie glücklich werden in ihr.

Weil ich nie hoffte und glaubte, wurde ich oft verletzt. Ich wurde nicht deshalb verletzt, weil ich vieles ganz anders sah, sondern einfach nur deshalb, weil Sprache und Leben für mich eine einzige Sache war. Sprache war Leben, und Leben war Sprache für mich, und deshalb verziehen mir viele nicht, die die Entscheidung, die ich getroffen hatte, als Affront empfanden. 

Ich hatte mich einmal für das entschieden, was man als Kunst bezeichnet. Und weil Kunst für mich immer alles gewesen war, nicht nur die Sache, die man zeitweise macht, sah man in mir diesen Menschen, der alles in Frage stellt. Man sah in mir diesen Menschen, der alles ins Wanken bringt, weil er fragt und fragt und nicht aufhört zu fragen, auch wenn es schon längst keine Antwort mehr gibt. 

Schon längst kennt man die Antwort auf alles, und weil ich von keiner Antwort überzeugt worden bin, suche ich nicht, sondern ich reise. Wenn ich reise, dann finde ich. Ich finde nicht alles, aber so viel, dass sich die Sprache entwickelt, dass sie von einer Silbe zur nächsten, von einem Wort in das nächste wächst.


ICH WACHSE MIT MEINER SPRACHE, und jeder Satz verwandelt mich so, dass ich nicht anders werde, aber dass ich so werde, wie ich eigentlich bin. Ich weiss, wer ich eigentlich bin. Aber natürlich weiss ich immer noch nicht, wer sich hinter dem Schein befindet, der zu mir gehört. Zu mir gehört eine Erscheinung. Aber ich wüsste fürs Leben gern, was in ihr so wirkt, was in ihr so wirksam ist, dass es eine Entscheidung gab und dass alle Entscheidungen schlussendlich jenen Weg ergaben, der hinter mir liegt.


Hinter mir liegt ein Weg, und wenn ich ihn in ein Bild hinein bringen müsste, dann wäre es dieses der Treppe, die aufwärts und vorwärts geht und die immer weiter und weiter geht, weiter ins Unbekannte hinein, von dem ich nur weiss, dass es sprachlich und bildhaft ist. Unbekannt ist fast alles, was vor mir liegt, weil ich keine Sicherheit habe, kein Haus, das mir als Besitz gehört, kein Vermögen, das die Reise sorgenfrei machen würde. 

Die Reise, von der ich spreche, ist also nicht eine Wohlstandsreise und ebenfalls nicht eine Reise, mit der mir gegeben wird, was ich nicht habe. Ich verdiene keine Geld mit der Reise, denn sie ist anspruchsvoll, und ich werde wohl niemanden finden, der sie finanziert. Ich klage jetzt nicht. Nein, ich sage einfach: So ist es, so und nicht anders. Und wenn ich dennoch etwas verdiene, dann setze ich die Reise entsprechend fort. Vieles, was ich gerne sehen möchte, kostet, und ich kann es dann sehen und in Sprache umsetzen, wenn es Einnahmen gibt.


Einnahmen könnte es geben, wenn irgendjemand entscheidet, dass das, was ich schreibe, wertvoll ist und dass es sich lohnt, mich dafür zu bezahlen. Ich warte nicht auf irgendjemanden und schreibe dann irgendwas, sondern ich schreibe so, wie ich immer geschrieben habe, wie ich zeit meines Lebens schrieb, und ich weiss, ja, ich bin sicher, absolut sicher, dass die Sprache, die während Jahrzehnten gewachsen ist, weiter wächst, dorthin wächst, wo sich diese Leser befinden, die wissen wollen, wohin die Reise eigentlich geht.


Die Reise geht, wie es sich jetzt versteht, weder in eine Richtung noch in irgendeinen Glauben hinein, nein, sie geht, so viel weiss ich zumindest, ins Wesen der Worte hinein, in den Raum der Worte, der viel grösser und weiter ist, als man glaubt. Der Raum der Worte ist grenzenlos, und wenn man keine Angst hat vor ihm, aber auch nicht respektlos ist, dann öffnet er sich, und alles, was sich dann zeigt, ist wie ein Wunder, ein wirkliches Wunder, weil es diese Erkenntnis enthält, die schön ist, einfach nur schön. Schön ist jede Erkenntnis, aber vor allem schön ist diese Erkenntnis, die weiter und weiter geht, die alles bewegt und alles verändert.


ALLES VERÄNDERT SICH JETZT, weil wir in der Wende leben, in der Wendezeit, von der ich viel sprach und von der ich nie wusste, was in ihr geschieht. Was wie auch immer geschieht, geschieht, weil sich die Schwingung verändert, die Schwingung der Zeit, die die Energie, die sie hat, intensiviert, indem sie sich dauernd erweitert. Sie erweitert sich wie die Spirale, die einen Kreis nach dem andern durchläuft, um die Schönheit der Dinge so sichtbar zu machen, dass nichts im Verborgenen bleibt. 

Die Schönheit der Dinge ist immer vorhanden, aber nur wenn sie sichtbar erscheint, sieht sie sich selbst, und das Sehen ist wichtig, denn es verdoppelt die Welt. Sehen heisst immer erkennen, und sobald sich jemand erkennt, verdoppelt er sich in der Weise, dass er sich selber wird. Wie kann man dies denn verstehen? - stellt sich natürlich die Frage, und weil ich kein Wissender bin, aber einer, der reisend ins Wissen geht, kann ich erklären, was der Satz, den ich geschrieben habe, bedeutet. Wenn jemand sich selber erkennt, dann sieht er sich selbst, was konsequenterweise bedeutet, dass sich sein Selbst selbst erfährt.


Unsere Vorstellung ist es, dass es ein Selbst gibt, irgendwo, jenseits von uns, und wir wissen nur so viel, dass das Selbst eine Verbindung mit dem hat, was wir in der Zeit, die wir haben, sind. Wir wissen nicht alles, aber wir wissen genug, um vom Jenseits ins Diesseits zu kommen, in dieses Diesseits hinein, das alles umfasst und das nicht so ist, wie man oft glaubt. 

Oft glaubt man, dass das Diesseits ein Raum ist, der in sich geschlossen ist. Aber sobald man die Schöpfung betrachtet, wird man gewahr, dass sich das Diesseits öffnet, ununterbrochen öffnet, und dass es deshalb kein Jenseits gibt. Es gibt kein Jenseits, und weil es kein Jenseits gibt, ist das Wort Diesseits auch nicht geeignet, um den Raum, den zeitlichen Raum so zu erklären, dass er verständlich wird. Die Sprache ist immer klar, aber sobald sich der Glaube einmischt, verklärt sie die Dinge so, dass sie dem Sehen entgleiten. 

Der Glaube ist wie ein Schleier, der sich über die Sprache legt, und wir verschleiern die Dinge, wenn wir dem Denken gestatten, seine eigenen Grenzen so zu verwischen, dass keine Klarheit mehr herrscht. Das Denken erfindet den Glauben, um sich selber zur Macht zu machen, zur alleinigen Macht, denn der Glaube ermöglicht es ihm, über die eigenen Grenzen hinaus, in jeder Hinsicht zu herrschen. 


DIE GRENZEN DES DENKENS sind diese des Körpers, weil das Denken ein Teil des Körpers und nichts anderes ist. Seltsamerweise will man das Denken ins Körperlose befördern, obwohl es doch klar ist, dass es an den Körper gebunden ist. Körper ist immer Körper, auch wenn er den Anschein erweckt, er sei eine Sache, die aus sich heraus gehen kann. Eine Sache ist immer nur eine Sache, aber niemals ein Ding, - und wieder ist es die Sprache, die den Sachverhalt klärt, um den es jetzt geht. 


Die Sprache sagt Sache, und sie sagt Ding, und wenn man nicht glaubt, dass die Worte beliebig und ungefähr sind, dann muss man doch unterscheiden, ja, dann muss man doch sehen, dass es etwas und etwas anderes gibt. Es gibt etwas anderes als die Sache, nämlich das Ding, weil die Sache nicht alles beinhalten kann. Die Sache ist Zeit, und die Struktur, die sie hat, ist diese, die die Materie hat. Die Sache kann in Verbindung mit dem sein, was man als Geist bezeichnet, aber sie kann auch verbindungslos sein, und wenn sie verbindungslos ist, dann sieht sie sich nicht, sondern dann irrt sie umher und erfindet die Realität, die künstlich entsteht. 

Wenn jemand behauptet, die Sache sei diese, dass es nur Sachen gibt, dann kann ich nur fragen: Woher kommen sie denn? Wir können nicht sagen, die Sprache sei falsch. Wir können nur sagen, wir verstehen sie falsch. Wir verstehen sie so, wie wir sind. Und weil wir so sind, dass wir denkend entscheiden, sieht es so aus, wie es ist. 


ES SIEHT WEDER SCHÖN, NOCH NATÜRLICH AUS. Es sieht so aus, als wäre kein Wissen vorhanden, als wüssten wir nicht, wie Anfang und Ende zusammen gehören, wie sich die Ordnung erschafft, die von A bis Z alles bestimmt, was im Kosmos enthalten ist. Was wir konkret machen, ist keine Ganzheit, sondern ein solcher Wirrwar und ein solcher Schlamassel, dass es einem so vorkommt, als wären wir nicht von hier, als könnten wir nicht abschätzen, wie die Erde funktioniert. 

Wie die Erde funktioniert, ist uns zwar schon bekannt, aber seltsamerweise ist sie uns doch nicht vertraut, denn wir wollen sie ständig verbessern und ihre Wirklichkeit so verändern, dass sie der Realität gehorcht. Wir wollen die Erde zu unserer Erde machen und vergessen dabei, dass sie sich entwickelt und uns hervorgebracht hat, ja, wir vergessen vollständig, dass die Erde ein Wissen hat, das unser Wissen weit übersteigt. 


Wir wissen noch nicht, dass die Entwicklung, die hinter uns liegt, Voraussetzung ist für die Entwicklung, die vor uns liegt. Wir verwechseln den Fortschritt mit dem, was wächst, mit dem Wachstum, das nicht konstruiert, sondern so konzentriert, dass jenes Leben entsteht, in das wir geboren werden. Wir verwechseln die Sache, von der ich schon sagte, dass sie sich der Zeit verdankt, mit dem Ding, das die Entwicklung ermöglicht, weil es nicht Zeit ist, sondern Zeitlosigkeit. 

Die Erde ist wirklich, weil sie das Ding und die Sache enthält, und wir können nur wirklich sein, wenn wir die Erde so lassen, wie sie tatsächlich ist. Wie ist denn die Erde tatsächlich? - stellt sich natürlich die Frage, denn seit wir die Erde verändern, wissen wir nur noch, dass sie eine Kugel ist, die sich dreht und die die Sonne umkreist und ihre Wärme benötigt, damit sie sich selber bleibt.


Die Erde ist in unseren Augen eine Sache, die einfach da ist, die da ist, damit wir uns ihrer bedienen und damit wir von ihr bekommen, was wir wollen und brauchen und nötig haben. Wir drehen die Erde um und machen von ihr Gebrauch, und wir können nicht mehr verstehen, dass die Drehung der Erde auch uns umdreht.

Wir werden von der Erde gedreht, ob es uns passt oder nicht, und wir werden von der Erde entwickelt, ob das Denken es will oder nicht. Wir unterschätzen den Einfluss der Erde, und wir meinen noch immer, dass sie diese Richtung einschlägt, die wir ihr aufoktroyieren. Wir können nur glauben, und weil wir nur glauben, sehen wir nicht. Wir sehen nicht, dass sich die Erde ereignet, im wahrsten Sinne ereignet oder, anders gesagt, dass die Erde dieses Ereignis ist, das den einzigen Sinn hat, sichtbar zu machen, was unsichtbar ist. 

Wir wünschen uns viel, vor allem wünschen wir uns, dass es uns gut geht, dass es kein Leiden in unserem Leben gibt. Aber wir leiden ununterbrochen, weil wir die Erde verlassen, weil wir uns trennen von ihr, weil wir den Sinn, den sie hat, nicht zum eigenen Sinn machen können. Wir leiden, weil wir nicht natürlich, sondern künstlich leben und uns von der Technik abhängig machen, die uns vieles ermöglicht, aber noch mehr verunmöglicht, weil sie alles in ihre Herrschaft bringt.


WIR HABEN DIE TECHNIK ERFUNDEN, um vom Leiden befreit zu werden, um in diesen Zustand zu kommen, den einst Buddha erreicht hat, weil er nicht an den Sachen festhielt, sondern die Dinge ins Auge fasste. Weil Buddha die Dinge ins Auge fasste, nahm er die Schöpfung ganz anders wahr. Er sah, dass die Schöpfung die Schönheit erschafft, aber dass sie diese nur deshalb erschafft, weil sie sich sehen will, weil sie alles, was innen ist, als konkrete Wirklichkeit sehen will, als Dasein, das Anfang besitzt, aber auch dieses Ende, das es überhaupt möglich macht, dass sich die Schöpfung bewegt, dass sie weiter und weiter geht. 

Die Schöpfung vergeht, und weil sie dauernd vergeht, leiden wir auch. Wir leiden, weil wir nicht akzeptieren können, dass die Schönheit nicht bleibt, dass sie nur bleibt, wenn wir keinen Widerspruch in uns haben, wenn wir ihr nicht so widersprechen, dass wir anders sind als sie selbst. Wir leiden natürlich, wenn wir nicht schön sind, wenn wir nicht in Übereinstimmung sind mit dem, was die Schöpfung erschafft. 


Die Schöpfung erschafft diese Welt, in der sich die Dinge entfalten, in der sich die Dinge als Sachen entfalten, was konsequenterweise bedeutet, dass die Dinge das Entscheidende sind. Sobald man die Dinge verlässt, sobald man sich der Dinge entledigt, verlieren die Sachen die Seele, was wiederum heisst, dass die Schönheit verloren geht. Schönheit kann es nur geben, wenn die Dinghaftigkeit in den Sachen ist, wenn die seelische Schwingung in jeder Faser der Sachen ist. 

Was heisst aber seelische Schwingung? Ich weiss, dass die seelische Schwingung in der Vorstellung vieler etwas Zeitloses ist, aber dass sie trotzdem etwas Konkretes ist. Aber etwas Zeitloses kann nicht auch konkret sein, denn das eine schliesst das andere aus. Eine seelische Schwingung ist, wenn man so will, eine Verdichtung der Energie des Bewusstseins, was wiederum heisst, dass die Seele diese Wirklichkeit ist, die am Anfang der Schöpfung steht. 
Jede Sache ist Zeit, aber wenn sie keine Verbindung mehr hat zur Zeitlosigkeit, zum Anfang, der sie erschafft, dann ist sie auch nicht mehr schön, denn die Schönheit ist das Ergebnis der Seele, des Anfangs, der alles erschafft. 


Der Essay, den ich jetzt schrieb, ist voller Anfänge, voller Momente, die schön sein könnten, wenn sie nicht nur angedeutet, sondern so zeitlich und körperlich wären, dass man sie fassen kann. Es ging mir in diesem Essay aber nicht um die Zeit und auch nicht um diesen Körper, der als Welt in der Welt existiert, als Kosmos im Kosmos, sondern es ging mir nur einfach darum, die Sprache zum Fliessen zu bringen, in dieses Fliessen hinein, das alles ermöglicht und nichts verunmöglicht. 

Die Sprache ist dieses Fahrzeug, mit dem ich jetzt reise und unterwegs an diesen Ort bin, der kein bestimmter, sondern dieser Ort ist, der überall ist, der in jedem Ort ist, also auch dort, wo es die Realität, aber keine Schönheit mehr gibt. 


Alle Orte sind offene Orte, wenn man nicht nur nahe an sie herangeht, sondern in sie hinein, in ihre Wahrheit, möchte ich beinahe sagen. Alle Orte sind Anfangsorte, wenn man sie so erlebt, dass sie einem nicht lästig werden, dass sie einen nicht zu sehr belasten und einen solcherweise entleeren. 
Sobald man die Leere nicht als Erfüllung erlebt, sondern als energetische Leere, als diese Leere, die einem die Kraft nimmt, anwesend und in jedem Augenblick da zu sein, ist man nicht mehr sich selbst, sondern ein Opfer, und sobald man ein Opfer ist, wird die Schöpfung zum Wunsch, zur Hoffnung, zu dem, was man nicht hat. Was man nicht hat, verstärkt sich dann so in einem, dass man das, was man hat, nicht mehr mit allen Sinnen geniessen und nicht mehr mit dem, was man hat, verwandeln und soweit bringen kann, dass die Schönheit, die abwesend ist, anwesend wird. 


Die Reise, die jetzt beginnt oder, besser gesagt, die mit anderen Vorzeichen weiter geht, ist keine Reise ins Ungewisse. Nein, die Sprache vergewissert sich immer, und weil sie dies tut, kommt sie auch an, in jedem Land, an jedem Ort, in jeder Welt, in die ich hinein gehen werde, um da zu sein, einfach nur da zu sein, um der Schöpfung so zu entsprechen, dass Neues entsteht. 
Neues entsteht, wenn ich der Sprache erlaube, alles von innen und aussen zu sehen, ja, alles in dieser Weise zu sehen, dass keine Seite zur alleinigen Seite wird. 


Ich will kein Tagebuch schreiben, dies habe ich schon erwähnt. Ich will aber so schreiben, dass sich der Leser ein Bild machen kann, ein Bild von mir und von dem, was sich dauernd ereignet. Ich will so schreiben, dass die Reise zur Reise des Lesers wird, aber dies ist nur möglich, wenn ich alles verwende, die Sprache, die Bilder, die Fotos und alles, was von mir geschaffen wird. 

Was von mir geschaffen wird, ist kein Werk, das sich einer bestimmten Gattung zuordnen lässt, sondern es sprengt den Rahmen der Gattungen, und es ist sowohl Erzählung, als auch Philosophie, sowohl Bild, als auch Dokumentation, sowohl Zeichen, als auch Struktur, sowohl Erfahrung, als auch Erkenntnis. Es ist eine Schöpfung, die alles mit einbezieht und die sich selber entwickelt, aus sich selber heraus, und die die Schönheit nicht einfach beschreibt, sondern die sie entstehen lässt, in dieser Weise entstehen lässt, dass alles, was ist, in sie hinein kommt und in ihr zur Geltung kommt. 


Zuletzt muss ich noch sagen, dass die Sprache den Bildern und Fotos entspricht und dass sie diese nicht kommentiert und dass es umgekehrt der Fall ist, dass die Bilder und Fotos die Sprache nicht illustrieren. 
Nun ist es soweit. Nun kann der erste Eintrag geschrieben werden.


Gebenstorf/Seon/Bangkok/Hua Hin, Dezember 2010/Januar 2011