Bangkok, 2010 |
Irgendwann kann eine Stadt aber nicht mehr wachsen, und irgendwann ist es auch nicht mehr möglich, so zu planen, dass alles zum Ganzen wird. Man kann mit Zahlen jonglieren und Theorien aufstellen, aber weil jede Zahl und jede Theorie nicht alles miteinbezieht, kann es nur Hypothesen geben.
Bangkok, Klongs, 2010 |
Ich weiss, jetzt widerspricht man mir so, dass es sehr schwierig ist, jene Stadt ins Visier zu nehmen, von der ich jetzt sprach. Eine Stadt, sagt man mir gleich, ist kein Dschungel, sondern das Gegenteil. Eine Stadt ist kein Wirrwar, sondern eine strengen Gesetzen gehorchende Ordnung. Ich weiss, ja, ich weiss, - aber es gibt doch keinen natürlichen Wirrwar und der Dschungel ist doch die Ordnung selbst.
Bangkok, Chinatown, 2010 |
Eine Stadt könnte auch eine Sprache sein, aber nur dann, wenn sie sich selber entsprechen würde. Eine Stadt, die sich selber entsprechen würde, wäre keine verwaltete Stadt, sondern eine sich selber organisierende Stadt. Sobald man den Dschungel als Vorbild sieht, sieht man auch, dass er sich selber organisiert, dass er keine Verwaltung braucht, dass er alles, was in ihm ist, schützt und dass er sich dauernd erneuert und sich dauernd selbst bleibt.
Bangkok, Chinatown, 2010 |
Ich kenne keine Stadt, die eine offene Realität hat, sondern ich kenne nur Städte, die in sich geschlossen sind. In sich geschlossene Städte zeichnen sich dadurch aus, dass die Summe der Regeln in keinem Verhältnis mehr steht zum Menschen, zum einzelnen Menschen, der in ihnen lebt.
Regeln sind unverzichtbar, gewiss, aber sobald sie bestimmen und nicht mehr nur regeln, verkehren sie das, was sie regeln, in etwas, das nicht mehr zu regeln ist.
Bangkok, 2010 |
Bangkok, Klongs, 2010 |
Jetzt ist es so, dass die Städte einigen Individuen erlauben, sich so zu entwickeln, dass sie zu Überindividuen werden und dass die Mehrheit der Inidividuen nicht als Individuen leben können.
Bangkok, Klongs, 2010 |
Wenn es keine ungerechten und zweischneidigen und zynischen und absurden Regeln mehr gibt, dann wächst allmählich die Stadt, die so schön ist, wie keine Stadt bisher war. Dann wächst diese Stadt, die schön ist, weil kein Lärm in ihr ist. Weil ihre Nacht nicht zum Tag gemacht wird. Weil ihre Kultur eine jeden tragende Lebenskultur ist. Weil ihre Wirtschaft keine Konsumwirtschaft ist. Weil ihre Wissenschaft konkret macht, was allen nützt und allen so dient, dass alles einfacher wird. Weil ihre Kunst nicht nachahmt, was es schon gibt, und nicht als Narrenkunst funktioniert, sondern dem Elementaren entspricht und deshalb der Stadt mehr Wirklichkeit gibt. Weil jeder leben kann, wie er will, und niemand gezwungen wird, sich so zu verhalten, dass es den andern gefällt.
Ich höre schon wieder Einwände. Aber allen Einwänden zum Trotz, sage ich, dass die Stadt, die ich eben skizziert habe, keine utopische ist, sondern eine reale. Sie könnte jederzeit konkret gemacht werden.
Utopien waren immer Ventile der Sehnsüchte der Menschen, die anders leben und anders sein wollten und deren Realität keine Wirklichkeit offen liess. Die sich selber Utopisten nennenden Philosophen kehrten ihre eigene Welt einfach um, was nicht nur eindrückliche Bilder entstehen liess, sondern auch Anstösse gab. Aber es gab noch nie eine Stadt, die erdacht und irgendwann gebaut worden ist und die erfüllte, was sie versprach.
Aber es wird, dessen bin ich ganz sicher, Städte geben, die natürlich funktionieren, weil sich die künstlichen Städte selber zerstören und weil es keinen anderen Weg mehr gibt.
Hua Hin, 25./29. Januar 2011
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